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Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich

Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich

Titel: Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich
Autoren: Heinrich Steinfest
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Gott waltet, kann sich der lange Arm böser Geister nicht ewig strecken. So kam es, daß ab der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts nach und nach eine Würdigung und quasi ein »Einfangen« der Büsten für museale Zwecke stattfand und sich sodann — nicht weiter verwunderlich – moderne Künstler fanden, um den nicht minder modernen Messerschmidt zu verarbeiten, etwa Arnulf Rainer, dessen Übermalungen selten so passend ausfielen wie bei Inangriffnahme dieser Charakterköpfe. Daß natürlich auch alle jene ihre Freude daran hatten und haben, die gerne dem Genie-Wahnsinn-Komplex anhängen, versteht sich. Das wirklich Schöne aber ist, daß man Messerschmidts Schöpfungen frei von alldem betrachten kann, und zwar, ohne sich zu langweilen. Es handelt sich um autarke Skulpturen. Auch sollte man unbedingt darauf verzichten (große Warnung für den deutschen Besucher!), die Titel zu lesen. Sie sind nachträglich entstanden, haben sich eingebürgert, sind aber mit Sicherheit schlechte Ratgeber zum Verständnis dieser Skulpturen.
    Es erscheint mir vollkommen logisch und zwangsläufig, daß selbige Köpfe aus der »österreichischen Situation« heraus entstanden sind, auch wenn sie zum Teil in Wiesensteig und später dann in Preßburg hergestellt wurden, wo Messerschmidt 1783 starb. Freilich soll hier nicht behauptet werden, Messerschmidt sei ein unkomplizierter, netter Kerl gewesen, den Wien und die Wiener ruiniert haben und welcher aus den Umständen dieses Ruiniertwerdens eine Reihe völlig singulärer und bis heute den Betrachter packender Bildhauereien geschaffen hat, nein, es soll nur gesagt werden, daß so was mitunter vorkommt.
    Es ist übrigens bemerkenswert, daß Messerschmidt in seiner späten Schaffensphase, die vor allem seinen »Kopfstücken« gewidmet war, auch einige Porträtaufträge erfüllte, die, so finde ich, von großer Klarheit der Gedanken zeugen, etwa die Büste des Historikers Martin Georg Kovachich, deren Präzision im Ausdruck und schnörkellose Raffinesse eine mathematische Qualität besitzen, als könnte man das Gesicht eines bestimmten Menschen errechnen. Nicht nur als Schöpfer der rätselhaften Charakterköpfe ist Messerschmidt also herausragend, sondern zudem als neoklassizistischer Wegweiser in eine aufgeklärte Kunstepoche.
    Ja, so sehen in Österreich Sonderlinge aus.

 
    Ist es das wirklich  wert, diesem Thema ein ganzes Kapitel zu widmen?
    Zumindest ein kleines, finde ich, ein grundsätzliches. Denn auch hier gilt wieder, daß natürlich die Österreicher nicht die einzigen Menschen auf der Welt sind, die dem Alkohol zuneigen, ihre Zuneigung jedoch in einer ganz speziellen Weise erfolgt. Wenn es nämlich in den Fragmenten des Alcäus heißt, im Wein liege die Wahrheit beziehungsweise der Wein sei ein Spiegel der Menschen, dann nimmt der Österreicher diese Behauptungen sehr ernst. Er glaubt an diese Wahrheit, und er glaubt an den Spiegel. Er betrachtet sich im Wein, und was er darin sieht, das gefällt ihm ganz außerordentlich. So sehr die Österreicher von einem latenten Selbsthaß geprägt sind, so lieblich erscheint ihnen ihr Spiegelbild im Wein. Sie beginnen sich zu mögen, ja sie beginnen auch die anderen zu mögen. Es ist darum mehr als nur ein im Ausland gerne kolportiertes Klischee, wenn von dieser gewissen Gemütlichkeit in Wirtshäusern und beim Heurigen gesprochen wird. Dies sind Orte der Selbsttherapie und Selbsthypnose, wo der einzelne sich an sich selbst berauscht. Und der glückliche Mensch — der in sich selbst verliebte Mensch – ist sicherlich der bessere. Aus seiner gesicherten Position heraus neigt er dazu, auch die anderen in ihrer Schönheit zu erkennen und zu akzeptieren. Er fragt den Spiegel (also den Wein) nicht danach, ob es hinter den sieben Bergen bei irgendwelchen Zwergen irgend jemanden gibt, der noch besser und schöner und glücklicher ist. Nein, er ist sich seiner Einmaligkeit auch ohne Nachfrage bewußt. So entsteht eine Fröhlichkeit und Freundlichkeit, die nicht selten auch den Fremden einschließt. Auf eine oberflächliche Weise, das versteht sich. Der Fremde bildet gewissermaßen den Rahmen um den Spiegel, er bildet in diesem Fall das Ornament, eine Zierde, welche die Großzügigkeit des Österreichers zum Thema hat. – Dies alles bedenkend, muß man den Begriff des Spiegeltrinkers neu definieren.
    Das möchte ich nun gleich zum Anlaß nehmen, die verschiedenen Trinkertypen zu charakterisieren, so wie ich sie vom Österreichischen
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