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Geboren im KZ: Sieben Mütter, sieben Kinder und das Wunder von Kaufering I (German Edition)

Geboren im KZ: Sieben Mütter, sieben Kinder und das Wunder von Kaufering I (German Edition)

Titel: Geboren im KZ: Sieben Mütter, sieben Kinder und das Wunder von Kaufering I (German Edition)
Autoren: Eva Gruberová , Helmut Zeller
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Straße. Ich sah aber nur Géza.»
    Erst vor ein paar Tagen ist Eva aus dem karpatho-ukrainischen Brody am Irschau, einem kleinen Dorf nahe Mukatschewo, gekommen. Endlich ist sie achtzehn und für ihren Vater, einen gläubigen chassidischen Juden, alt genug, um alleine reisen zu können. In Dunajská Streda, etwa 500 Kilometer südwestlich von Brody, besucht sie alte Freunde ihrer Familie. Evas erste Reise führt sie weit weg von ihrem Alltag auf dem Bauernhof der Familie, weg von der harten Arbeit, an die sie von klein auf gewöhnt ist. Sie war erst zehn Jahre alt, als ihre Mutter Zseni nach der Geburt des vierten Kindes starb. Der Vater Herman, der seine Peies gerne hinter den Ohren trug, heiratete später die jüngere Schwester seiner Frau, Sara, die dann Zwillinge gebar. Und die Familie wuchs weiter: Da Saras Vater und seine zweite Frau in relativ jungem Alter starben, nahm Herman Schwartz auch deren vier minderjährige Kinder auf. Eva, die zweitälteste nach Frida, die mit Mann und Kind schon seit längerer Zeit in Budapest lebte, musste sich von jetzt an auch um ihre jüngeren Geschwister kümmern. Jeder Tag glich dem anderen. Tagsüber half sie dem Vater im Stall und auf dem Feld, abends der Stiefmutter mit den Kindern und im Haushalt. «Wir hatten Gänse und eine Kuh, die ich hüten musste, außerdem viele Hühner. Es war immer sehr viel zu tun.» Mitte der 1930er-Jahre, während der Weltwirtschaftskrise, waren Verwandte ihres Vaters nach Palästina ausgewandert und hatten ihm einen Bauernhof mit Sonnenblumen- und Maisfeldern überlassen. Dem gelernten Schuster fehlte in der Landwirtschaft jedoch jede Erfahrung. Jahr für Jahr musste er während der Saisonarbeiten erfahrene Knechte einstellen, die er statt mit Barem mit handgefertigten Schuhen bezahlte. Es war nie genug Geld da für die elfköpfige Familie, zumal die antijüdischen Gesetze der Budapester Regierung in der seit 1939 zu Ungarn gehörenden Karpatho-Ukraine noch mehr Arbeitslosigkeit und Armut hervorbrachten. Doch für Herman Schwartz und seine zweite Frau Sara war es am wichtigsten, dass ihre Kinder keinen Hunger litten und die Familie zusammenhielt. In den wenigen freien Minuten, die Eva für sich hatte, versteckte sie sich im Stall. Nur dort konnte sie allein sein, ohne ihre kleinen Geschwister, die ständig an ihr hingen. Schnell cremte sie dann ihr Gesicht mit einem Stück Butter ein und massierte Sonnenblumenöl ins Haar. Niemand durfte von ihrem Geheimnis erfahren, zu groß war ihre Angst vor der Reaktion ihres Vaters auf diese leichtsinnige Verschwendung. Wenn dann aber Gäste der Familie oder Nachbarn ihre glänzenden Haare und ihren gesunden Teint lobten, freute sie sich und lächelte still vor sich hin: «Ich wollte immer hübsch aussehen.»

    Eva Schwartz mit 19 Jahren, Brody am Irschau, 1943
    Als Eva von Dunajská Streda Anfang Oktober 1942 zurück nach Brody fährt, ist sie fest entschlossen, bald wiederzukommen. Sie ist verliebt. In der Hoffnung, ihre Tochter würde in der fremden Stadt eher Arbeit finden als zu Hause, stimmen Herman und Sara Schwartz ihrer Abreise zu. Evas drei Jahre jüngere Schwester Ida folgt nach einigen Wochen nach. Bald schon finden die beiden eine Stelle. Eva wohnt und hilft im Haushalt der Witwe Blau und ihren zwei Töchtern. Auch Ida schlägt sich als Dienstmädchen durch. Die Arbeit ist anstrengend und der Lohn nicht gerade üppig. Aber Eva gefällt ihr neues Leben in der Stadt, die ihr viel weltoffener und interessanter als Brody erscheint. In den ersten Monaten fühlt sie sich jedoch manchmal fremd, da sie kein Wort Ungarisch versteht. Zu Hause sprach sie mit ihren Eltern und Geschwistern nur Jiddisch, in der Schule, da gehörte die Karpatho-Ukraine noch zur Tschechoslowakei, lernte sie Tschechisch. «Gézas älterer Bruder Rezsö lachte mich aus, als er mich zum ersten Mal sprechen hörte. Ich schämte mich und schwieg lieber.» Jiddisch gilt in Dunajská Streda als Sprache der armen galizischen Einwanderer. Für einen Mann wie Rezsö, der häufig nach Budapest reist, in eleganten Restaurants speist, Hochdeutsch spricht und überhaupt viel auf Großstadtmanieren gibt, ist Eva nur ein einfaches Mädchen aus der rückständigen Provinz. Sein Bruder aber sieht das anders. «Géza und ich unterhielten uns am Anfang nur mit Händen und Füßen. Aber das war für uns kein Problem.» Fast täglich trifft sich Eva nach der Arbeit mit Géza. Wenn das Wetter schön ist, spazieren sie im Park, wenn es regnet
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