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Geboren im KZ: Sieben Mütter, sieben Kinder und das Wunder von Kaufering I (German Edition)

Geboren im KZ: Sieben Mütter, sieben Kinder und das Wunder von Kaufering I (German Edition)

Titel: Geboren im KZ: Sieben Mütter, sieben Kinder und das Wunder von Kaufering I (German Edition)
Autoren: Eva Gruberová , Helmut Zeller
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dass ab dem 5. April alle Juden einen gelben Stern tragen müssen. Unter der Führung von Eichmanns Männern beginnen ungarische Polizei, Gendarmerie und Verwaltungsbehörden mit den Vorbereitungen zur Deportation. Die entscheidende Initiative geht dabei von den Deutschen aus. Aber ohne die Kollaboration der ungarischen Eliten und der aktiven Teilnahme der Polizei und Gendarmerie hätte das Eichmann-Sondereinsatzkommando die mehr als 430.000 ungarischen Juden innerhalb von nur acht Wochen nie verschleppen können. Die Entschlossenheit und Härte, mit der die ungarischen Behörden gegen ihre jüdischen Bürger vorgehen, beeindrucken sogar die Nationalsozialisten. Am 7. April 1944 schreibt der deutsche Gesandte in Budapest, Edmund Veesenmayer, an das Auswärtige Amt in Berlin. Er findet nur lobende Worte für die neue ungarische Regierung, die «mit einer für hiesige Verhältnisse ungewöhnlichen Schnelligkeit … die Lösung der Judenfrage in Angriff genommen hat».
    Am 21. April 1944 muss Géza die Schlüssel zu seiner Werkstatt abgeben. Alle jüdischen Geschäfte in Dunajská Streda werden an diesem Tag geschlossen. Obwohl er selbst sehr besorgt ist, versucht Géza, Eva zu beruhigen. Doch sie ist voller Angst. «Wie sich die nichtjüdische Bevölkerung uns gegenüber benahm, kann man kaum beschreiben. Von einem Tag auf den anderen kannten sie uns nicht mehr, viele beschimpften uns.» Am 26. April treiben ungarische Gendarmen alle Juden der Stadt ins Getto, das in drei nebeneinanderliegenden Straßen entsteht. Die 20-jährige Eva und ihre um drei Jahre jüngere Schwester Ida müssen sich zusammen mit Géza, Rezsö, deren Eltern und zwei Schwestern, Bözsi und Lily, eine kleine Wohnung teilen. Aber wenigstens können sie zusammenbleiben, trösten sie sich gegenseitig. Anfang Mai erhält Gézas Bruder Rezsö zum zweiten Mal einen Einberufungsbefehl zum Arbeitsdienst. Diesmal muss er im Budapester Hafen Zwangsarbeit leisten. Géza darf bei Eva bleiben. Wie schon 1942 rettet ihn vor dem Arbeitsdienst die gefälschte ärztliche Diagnose, die er seinen Dampfmaschinenmodellen verdankte. Frei bewegen kann er sich aber nicht, denn in Dunajská Streda gilt wie für alle Gettos in Ungarn seit Ende April eine verbindliche Verordnung: Kein Jude darf sich nach 18 Uhr außerhalb des Gettos aufhalten. Ein Gefühl von Bedrohung und Ohnmacht macht sich breit. Was wird noch kommen? Niemand ahnt, dass über das Schicksal der ungarischen Juden bereits entschieden wurde. Am 4. und am 5. Mai 1944 fand bei der Wehrmachtstransportleitung in Wien eine Fahrplankonferenz statt, bei der beschlossen wurde, dass täglich vier Transporte mit jeweils 45 Waggons und 3000 Menschen nach Auschwitz fahren sollten. Auch eine genaue Route steht schon fest, sie soll über Košice und die mit Hitlerdeutschland verbündete Slowakei führen. Eine deutsch-ungarisch-slowakische Kommission hat die Aufgabe, die Transporte zu organisieren.

    Familie Steckler. Obere Reihe von l. n. r.: Jenö, József, Rezsö, Géza, Bözsi. Unten: Großmutter, Eltern, Lily, Kubi. Dunajská Streda, um 1940
    Am frühen Donnerstagmorgen, dem 8. Juni, müssen die Juden aus Dunajská Streda ihre provisorischen Wohnungen verlassen. Die Gendarmen treiben sie und Hunderte weitere Neuankömmlinge aus dem Umland in den Vorhof der bereits geplünderten Synagoge. In dem wilden Durcheinander, jeder versucht im Gebäude einen Platz zu finden, kann Eva nicht mehr klar denken. Was passiert mit uns? Wir stehen das durch, flüstert Géza seiner verschreckten Freundin immer wieder zu. Aber seine Stimme zittert. Dicht gedrängt sitzen die Menschen nebeneinander, bewacht von ungarischen Gendarmen in grünen Uniformen. Das Erdgeschoss ist bereits voll, auch der Frauenraum quillt über mit Menschen, Gepäck und Kinderwagen. Eva, Ida, Géza und seine Familie klammern sich an einander und zwängen sich durch die Menschenmasse über eine Treppe in das Dachgeschoss der Synagoge. Alle sind furchtbar müde, können aber kaum schlafen. Es fehlt frische Luft zum Atmen, Kinder schreien, Kranke und Alte stöhnen, die Hitze ist unerträglich. Eine ganze Woche bleiben sie in der Synagoge eingesperrt. Zum Glück gibt es in der Stadt noch einige, die versuchen zu helfen. Ein Bäcker zum Beispiel bringt den eingesperrten Menschen Brotlaibe. Mit jedem Tag werden die Essensrationen knapper. Am Sonntag, dem 11. Juni, besteht die einzige Tagesmahlzeit aus Milch. 70 Liter für 3000 Menschen, für jeden zwei,
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