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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum
Autoren: Stanislaw Lem
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studiere.
    „Ach“, erwiderte der Alte geringschätzig, „dann lernt er eben pilotierende Automaten bauen. Das ist alles. Das ist so, als ob er Hörner statt Musik machte und behauptete, er sei ein großer Komponist.“
    Ich beeilte mich natürlich, dies meinem Bruder mitzuteilen. „Und du bist ein riesengroßer Hornochse“, entgegnete er.
    Ich blieb mit meinem Zwiespalt allein auf weiter Flur.
    Professor Murach, ein Freund meines Vaters, war Astronom. Meiner Meinung nach stand er in einem besonders intimen Verhältnis zu den Sternen. Ihm vertraute ich meine Sorgen an. „Ich will keine Pilotenroboter bauen. Ich will ein wirklicher Astronaut werden, ein Steuermann oder sogar Kapitän eines Weltraumschiffes.“
    „Oh, das ist abenteuerliche Romantik!“ rief Murach, nachdem er mich geduldig angehört hatte. Er schüttelte melancholisch den Kopf. „Die Astronautik ist zweifellos eine schöne Sache. Kennst du das Werk ,Die Atmosphäre der Planeten und die Raumschiffahrt ‘ von Rufus?“
    Ich kannte es nicht. Der Professor freute sich. „Ausgezeichnet, dann lies es. Es ist wunderbar. Voll Unklarheiten wie ein nebliger Abend. Ein unglaublich weites, freies Feld für die Phantasie, für Visionen. Jaja, die Astronautik war einmal eine sehr schwere Kunst. Der Mensch ging damals bis an die Grenzen psychischer Zähigkeit und Ausdauer. Wie viele herrliche, großartige Blätter des Heldentums, wie viele Siege über sich selbst gibt es da. Wie schön hat Rufus das gesagt: ,Unsere Welt meint es gut mit den Astronauten. Auf hundert Trillionen Teile leeren Weltraumes kommt ein Teil Land; Raum genug, um die Segel zu entfalten. ‘ Und wie viele Sterne gibt es, diese blinkenden Hafenlichter im Ozean der Finsternis! Aber weißt du auch, mein Lieber, weshalb die Astronautik eine so schwere Kunst war?“
    Das wußte ich nicht.
    „Na, wie ist es?“ fragte Murach und sah mich von oben herab prüfend an. Dort, wo andere Menschen die Augenbrauen haben, hatte er zwei kleine, störrisch in die Höhe ragende, graue Haarbüschel, die mit lebhaften Bewegungen an dem Gespräch teilzunehmen schienen und mich manchmal belustigten, wodurch die Beweiskraft der Worte des Professors erheblich abgeschwächt wurde. „Ich will dir erklären, weshalb du dich irrst, du verhinderter Sternschiffer. Weißt du eigentlich, daß die Menschen einst die Meere befuhren?“
    „Ja, auf sogenannten Dampfschiffen!“ platzte ich heraus.
    „Richtig. Aber noch früher, im frühesten Altertum, benutzten sie Segelschiffe und bedienten sich des Windes als treibende Kraft. Solange sie nicht die Gesetze der Hydrostatik, der Hydrodynamik, die Theorie der Wellenbewegung und andere Wissensgebiete genau kannten und beherrschten, bauten sie die Schiffe sozusagen nach Augenmaß, verstehst du, und deshalb besaßen diese Schiffe so etwas wie eine Individualität. Es gab nicht zwei, die in allen Einzelheiten übereinstimmten. Kleine Unterschiede des Rumpfes verursachten erhebliche Unterschiede in der Reaktionsfähigkeit auf das Steuer und so weiter.
    Man verstand damals noch nicht, dies alles vorauszuberechnen. Gefahren, Abenteuer, ja sogar Katastrophen vermittelten den Seeleuten Erfahrungen, aus denen sich die große Kunst der Segelschiffahrt entwickelte, eine Kunst, verstehst du, und nicht eine Wissenschaft; denn außer tatsächlichem Wissen war noch viel an Überlieferung, Gerede, Vorurteilen vorhanden, und zur Führung eines Schiffes waren neben der Praxis persönlicher Mut, Geschicklichkeit und Eignung unbedingt erforderlich. Doch dann verdrängte die exakte Wissenschaft all diese zusammenhanglosen, mehr praktischen Erfahrungen einzelner, und für die Kunst blieb immer weniger Raum. Eine ähnliche Entwicklung zeigte sich vor hundert Jahren in der Raumschiffahrt.“
    „Das kann doch nicht heißen, daß der Mensch heute keine Rakete mehr lenken darf?“ antwortete ich. „Ich will es aber! Wem schadet es denn?“
    „Gewiß schadet es“, entgegnete der Professor. Plötzlich kam es mir vor, als bewegten sich seine Augenbrauen wie die weißen Bärte unsichtbarer Zwerge. „Natürlich schadet es! Denn du würdest langsamer und ungenauer arbeiten als ein Automat, also schlechter. Ganz abgesehen davon, daß der Mensch keine Arbeit verrichten soll, die ein Automat ausführen kann. Du weißt doch, daß sich das für uns Menschen nicht ziemt!“
    „Aber bei Ausflügen oder im Gebirge fällen wir manchmal einen Baum, machen Feuer und kochen. Und das kann doch alles ein
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