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Gargantua Und Pantagruel

Gargantua Und Pantagruel

Titel: Gargantua Und Pantagruel
Autoren: Francois Rabelais
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die Mutterdrüsen der Gebärmutter oberwärts, durch welche das Kind kopfüber hupft' in die hohle Ader, dann durch das Zwerchfell weiter kroch bis über die Achseln (wo sich gedachte Ader in zwei teilt) und, seine Straß zur linken nehmend, endlich durchs linke Ohr zu Tage kam. [Fußnote: R. verspottet hier die Theologen, die behaupten, Maria habe durch das Ohr empfangen. Ein alter Kirchengesang lautet: Gaude, virgo, mater Christi, Quae per aurem concepisti.] Sobald es geboren war, schrie es nicht, wie die andern Kinder, mi mi mi!, sondern mit lauter Stimm: zu trinken! zu trinken! zu trinken!, gleich als ob es die ganze Welt zu trinken ermahnt', so hell auf, daß es die ganze Gegend von Beusse und Bibaroys vernahm. Ich bild' mir ein, ihr werdet an diese verwundersame Nativität nicht steif und fest zu glauben wagen. So ihr's nicht glaubt, ficht's mich nix an: aber ein Biedermann, ein Mann von Verstande, glaubet allzeit das, was man ihm sagt und was er in Schriften findet. Sagt nicht Salomo Sprichwörter am Vierzehnten: ›Der Unschuldige glaubt jedes Wort‹ usw.? Und der heilige Paulus ersten Korinther 13: ›Die Liebe glaubet alles?‹ Warum wollet ihr's also nicht glauben? Weil man es nimmer ersehn hat, sagt ihr. Ich aber sag' euch, daß ihr eben um dieser einen Ursach willen ihm vollen Glauben schenken müßt. Denn die Sorbonnisten nennen den Glauben einen Beweis derer Ding, die man niemals mit Augen siehet.
    Läuft's etwa wider unser Gesetz, wider Glauben, Vernunft oder Heilige Schrift? Ich, meines Orts, kann in der Bibel nichts finden, was dawider wär. Und wenn es Gott so gefallen hätt', meint ihr, er hätt's nicht tun können? Ei, ich bitt' euch doch um alles, umnebelkäppelt euch nicht die Köpf mit solchen eiteln Gedanken: ich sag' euch, daß bei Gott kein Ding unmöglich ist. Und wenn er wollt', so brächten von Stund an die Weiber ihre Kinder also durchs Ohr zur Welt! Kam Bacchus nicht aus dem Schenkel des Jupiter? Fliegenschnäpper aus seiner Ammen Pantoffeln zur Welt? Minerva – entsprang sie nicht durchs Ohr aus Jupiters Hirn? Adonis durch eines Myrrhenbaums Rinden? Kastor und Pollux aus einem Ei, das Leda gelegt und ausgebrütet? Wie aber sollt ihr erst erstarren und staunen, wenn ich euch jetzt gleich das ganze Kapitel des Plinius auslegen wollt', in welchem er von seltsam unnatürlichen Geburten handelt? Gleichwohl bin ich noch lang kein so dreister Lügner als er. Lest nur in seiner Naturgeschichte das dritte Kapitel des siebenten Buchs und quält mir nicht länger die Ohren damit.

Viertes Kapitel
Wie Gargantua benamset ward, und wie er sich zur Tränk hielt
    Während der gute Mann Grandgoschiere noch zecht' und mit den andern schwärmet', hört' er das mörderliche Geschrei, welches sein Sohn bei seinem Eintritt in dieses Licht der Welt erhub, als er zu trinken! zu trinken! brüllte, und sprach: »I gar! Kannt du aa schon fein dursten!« [Fußnote: Im Original: »Que grand tu as!« (supple le gousier). R. gibt hier eine scherzhafte Ableitung des Namens Gargantua.] Welches als die Gäst vernahmen, sagten sie, daß er um dieserwillen durchaus Gargantua heißen müßt', weil dies das erste Wort seines Vaters bei seiner Geburt gewesen wär, nach Fürgang und in Nachahmung der alten Hebräer. Hierin war derselbe ihnen auch gern zu Willen, gefiel auch seiner Mutter wohl. Und um ihn zufrieden zu stellen, brachten sie ihm zu trinken, was oben hinein wollt': und ward nach frommer Christen Sitt zur Tauf getragen und getauft.
    Und wurden 17913 Küh von Pautillé und Brehemond verschrieben, für gewöhnlich ihn zu säugen; denn eine hinlänglich ergiebige Amme zu finden, war im ganzen Land unmöglich, in Betracht der großen Mengen Milch, die zu seiner Nahrung erforderlich waren. Zwar wollen ein Paar Doktoren behaupten, daß seine Mutter ihn gestillt hab' und daß sie 1402 Eimer und neun Maß Milch auf jeden Ruck aus ihren Brüsten hab' melken können. Aber es ist der Wahrheit nicht ähnlich, und ist dieser Satz von der Sorbonne pro scandaloso wehmütigen Ohren ärgerlich und schon von weitem nach Ketzerei ausdrücklich stinkend erkläret worden.
    In solcher Weis bracht' er ein Jahr und sechs Monden hin, um welche Zeit man nach dem Rat der Ärzte ihn anfing auszutragen, und ward ein schöner Ochsenwagen gebauet, in selbem kutschierte man ihn fröhlich umher: und war eine Lust, ihn anzusehen, denn er hatt' ein hübsch Göschlein, wohl zehn Kinn am Hals, schrie auch fast wenig; dafür aber bekackt' er sich
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