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Ganz normal verpickelt (German Edition)

Ganz normal verpickelt (German Edition)

Titel: Ganz normal verpickelt (German Edition)
Autoren: Karin Reddemann
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teilnahmsvoll. Mehr war nicht drin.
    Tja, wenn wir Wurstgesicht nicht hätten. H.J. lächelte wie ein ganz besonders guter Vater und streichelte (ich glaub’s nicht, bezeuge es aber!) mit dem Rücken seines rechten Zeigefingers über Böwis Wange. „Das mit Pete regle ich schon. Wenn du immer noch drauf bestehst, Böwi. Ich persönlich mein ja, da muss der jetzt allein durch.“
    Und Amen. Welch edler Mensch. Eine derart gute Seele wie Dr. jur. Wurstgesicht bin ich selbst wohl tatsächlich nicht. Ich lächelte nicht, ich streichelte nicht. Ich verhielt mich sozusagen grenzenlos normal. Ich trommelte mit den Fäusten. „So was kann man nicht erfinden, das ist einfach zu genial.“ Welch Spaß mir an diesem lausigen Abend doch noch vergönnt war. „Böwi!“ Ich kreischte vor Heiterkeit.
    Dann sah ich in sein Gesicht. Große Güte, das konnte einem wirklich jegliche Lebensfreude nehmen. Ich riss mich also zusammen, versuchte noch ein letztes Mal recht streng im Umgang mit mir selbst zu sein. (Mehr Ernst, Jochen, der Typ ist fertig!) „Böwi, du kannst nichts dafür, du ziehst solche Geschichten magisch an. Ich mein, damals, wie du da so vor deinem Alten gestanden hast mit deinem orange gefärbten Schädel ...“ Weiter kam ich nicht, dieses abstrus Normale in mir nötigte mich, wieder ausgesprochen fröhlich zu werden.
    Es war einmal ...
    Der rührend kleine Böwi, damals noch ein blasser, unscheinbarer Schmachtlappen von grad mal siebzehndreiviertel Jahren, will gern blond sein („So wie Campino, den fand ich süß.“), kauft sich Farbe, klatscht die Pampe auf seinen Kopf und stellt beim Rauswaschen fest, dass er orange geworden ist. Sieht scheiße aus. Findet auch Oberstleutnant Friedhelm Terbowen (war der wirklich), der seinem Sohn die „Tunten-Wichse im Haar“ auszureden versucht. Harmlos gesprochen. „Siehst wie eine verdammte Schwuchtel aus“, soll er wortwörtlich („Ich dachte, gleich streckt er mich nieder!“) gesagt haben. Und Böwis Mama trötet mit: „Da hat Papa aber mal recht, Ulli. Na, Fritz, beim Bund werden sie ihm die Flausen schon austreiben. Dafür sorgt der Heinz schon.“ Wahrlich unangenehm für Böwi, das Ganze. Denn der schlägt sich schon seit hundert Jahren die Nächte schlaflos um die Ohren vor lauter Kummer darüber, nicht das zu sein, was seine Eltern in ihm sehen. Normal eben. Wie gern hätte der kleine Böwi die Wahrheit herausgebrüllt: Ich will nicht zum Bund! Ich will alte Omas im Rollstuhl durch den Park schieben! Ich will nicht Medizin studieren! Ich will im Literaturkreis mit Räucherstäbchen fackeln und Joints kreisen lassen! Und dass ihr’s nur wisst: Ich hasse Buttermilch mit Zwieback, und Onkel Heinz, diesen verkappten Nazi, hasse ich auch. Und außerdem bin ich schwul!!!
    Schwul eben. Nichts weiter. Himmelherrgott, denkt jetzt abgenervt der aufgeklärte Klugscheißer des zweiten Jahrtausends mit seiner Leckt-mich-doch-am-sonstwo-Mentalität, das kann ja wohl nicht so schwer sein. Geschenkt. Das hier, bitte sehr, spielt sich Anfang der Achtziger ab. Es ist, um es für den depperten Laien auf den Punkt zu bringen, ergo ein inneres Drama. Tja, das war’s dann auf jeden Fall mit Böwis Bekenntnis.
    Friedhelm Terbowen starb zwölf Jahre später einen lausigen Tod. Höchst unehrenhaft fiel er besoffen kopfüber in irgendeine ungesicherte Baugrube und brach sich das Genick. Aber wenigstens durfte der gute Mann in dem stolzen Bewusstsein dahingehen, einen echten Kerl zum Sohn gehabt zu haben. Reserveoffizier Ulrich Terbowen (weiter konnte er sich nun bei allem Wohlwollen wirklich nicht nach vorn strampeln) hatte in der gemütlichen Phase zwischen zweitem und drittem Staatsexamen Marianne Puwalski geheiratet. Im Namen Gottes. Kirchlich eben. (Was für ein Schmierentheater!) Erübrigt sich, zu erwähnen, dass Böwi sein argloses Scheinfrauchen direkt nach dem unverhofften Ableben des Oberstleutnants wieder abstieß. Immerhin hat’s aber wohl relativ ordentlichen Sex gegeben, weil seit neun Jahren Mini-Böwi Stephan Terbowen existiert. Oma Mechthilds einziger Trost im Alter. Denn dass ihr undankbarer Herr Sohn mit dem bärtigen arbeitslosen Sozialpädagogen Pete zusammenlebt, der wirklich genial gute Marzipanplätzchen und Haschkekse (davon weiß sie nichts) backen kann und der naturalistische Gedichte schreibt, kann sie ihm bei aller Liebe! (so was sagen Frauen gern, wenn sie etwas hassen) nicht verzeihen. „Dein Vater würde sich im Grab umdrehen.“ Sehr beliebt bei
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