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Ganz die Deine

Ganz die Deine

Titel: Ganz die Deine
Autoren: Claudia Piñeiro
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wie die Geschichte ausgeht. Man weiß ja nie. Ich denke, sie werden mich finden. Kein Mensch kann ein Leben lang fliehen, so viele Perücken er sich auch aufsetzt. Über kurz oder lang geht man seinen Verfolgern doch in die Falle. Aber ich bin ganz ruhig. Innerlich ganz ruhig, darauf kommt es an. Ich bleibe bei einer Telefonzelle stehen und rufe Mama an. Wie immer überschüttet sie mich sofort mit Vorwürfen. Sie lässt mich nicht zu Wort kommen. Ich unterbreche sie, ich weiß selbst nicht wie, aber es gelingt mir. Ich erzähle ihr alles, aber sie glaubt mir nicht. Das traut sie mir nicht zu. Ich erreiche, dass sie verspricht, sich um Lali zu kümmern. Das war das Einzige, was noch zu tun blieb. Jetzt bin ich sehr erleichtert. Trotz ihrer vielen Fehler wird es Mama gelingen, Lali das Gefühl zu geben, dass sie immer noch eine Familie hat, da bin ich mir irgendwie sicher. In einem so schwierigen Alter wie dem von Lali ist das ungeheuer wichtig. Was Ernesto und mich betrifft – mit unserer Ehe ist natürlich Schluss. Diesmal gibt es kein Zurück. Jeder wird versuchen, seine Trümpfe auszuspielen, um so gut es geht aus der Sache rauszukommen. Auch in der Hinsicht bin ich ruhig. Die Justiz mag zwar blind sein, trotzdem habe ich dafür gesorgt, ihr eine Brille aufzusetzen. Vielleicht haben die Gläser nicht die richtige Stärke, vielleicht sieht sie das Ganze so ein wenig verzerrt, aber insgesamt ist es doch besser als nichts. Höchstwahrscheinlich werde ich für das Verbrechen an Alicia zur Rechenschaft gezogen und Ernesto für das an Charo. Sechstens: sie umbringen; siebtens: Ernesto die Schuld zuschieben. Ich zerreiße mein Schaubild in tausend Stücke und werfe sie in die Luft. Der Wind trägt sie in alle Richtungen. Wer wen umgebracht hat, ist eigentlich egal. Beide haben wir jemanden umgebracht. Sind etwa nicht alle Menschen gleich? Ist der eine mehr wert als der andere? Die Dinge haben sich geklärt. Vor Gericht werden wir beide zu Recht die Verantwortung für die Taten bestreiten, die man uns zur Last legt, aber keiner von uns wird behaupten können, er sei unschuldig. Im Grunde ist niemand unschuldig. Auch wenn wir alle Gottes Geschöpfe sind. Alicia, Charo, Ernesto und ich. Wen man umbringt, hat auf die Strafe letztlich wenig Einfluss. Mit der Schuld ist es etwas anderes. Alicia umzubringen, hätte ich mir niemals erlaubt. Und erst recht nicht Ernesto, immerhin ist er der Vater meiner Tochter.
    Die Deine schon. Mit der Deinen ist es etwas anderes.

 
    Claudia Piñeiro
     
    Claudia Piñeiro, Shootingstar der argentinischen Literatur, wurde 1960 in Buenos Aires geboren. Nach dem Wirtschaftsstudium wandte sie sich dem Schreiben zu, arbeitete als Journalistin, schrieb Theaterstücke, Kinder- und Jugendbücher und führte Regie fürs Fernsehen. Ihr Debutroman »Ganz die Deine« kam 2003 in die Endauswahl für den Premio Planeta, und für ihren zweiten Roman »Las viudas de los jueves« erhielt sie 2005 den Premio Clarín. Ihre Romane sind auf den Bestsellerlisten zu finden und werden in zahlreiche Sprachen übersetzt und verfilmt.
     
     
    Bibliografie
     
    Tuya (2003; dt. Ganz die Deine, 2008); Las viudas de los jueves (2005); Elena sabe (2007).
    Claudia Piñeiro schreibt neben Romanen auch Kinderbücher und Theaterstücke.

 
    Der Übersetzer
     
    Peter Kultzen, geboren 1962 in Hamburg, studierte Romanistik und Germanistik in München, Salamanca, Madrid und Berlin. Er lebt mit seiner Familie als freier Lektor und Übersetzer spanisch- und portugiesischsprachiger Literatur in Berlin.

 
    Lesen als Revanche
     
    Von Claudia Piñeiro
     
     
    Ich bin eine chaotische Leserin: Meistens lese ich drei oder vier Bücher gleichzeitig – ohne bestimmte Reihenfolge und ohne einem den Vorzug zu geben. Ich lese ganz einfach deshalb, weil ich es nicht lassen kann. Manchmal nehme ich mehrere Bücher mit ins Bett und erst im letzten Moment entscheide ich, welches ich jetzt lese und welche ich für den nächsten Tag aufhebe. Denn es gibt Nächte, in denen man nur eine Liebesgeschichte lesen kann und Nächte, in denen man eindeutig einen schwarzen Kriminalroman braucht. Neben meinem Bett, auf der Spiegelkommode, auf meinem Nachttisch, manchmal sogar auf dem Laken zwischen meinem Mann und mir, überall liegen Bücher. Essays, Erzählungen, Theaterstücke, Märchen, Kinderbücher. Das ausgesuchte Chaos hat eine Ordnung, die keiner außer mir begreift. Ich lese mich durch das Kapitel eines Buches und wenn ich merke, dass mich der
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