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Gangster auf der Gartenparty

Gangster auf der Gartenparty

Titel: Gangster auf der Gartenparty
Autoren: Stefan Wolf
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fahles Gesicht noch fahler.
    Er begann zu husten. Heiser röchelte er
dann: „Entschuldigung. Habe eine Halsentzündung.“
    Tim lachte. „Sie haben wohl Angst, daß
ich Sie an der Stimme erkenne.“
    „Was? Worum geht’s denn?“
    „Sie stehen im Verdacht, an einem
erpresserischen Menschenraub beteiligt zu sein“, erklärte Glockner — und zeigte
ihm den Durchsuchungsbefehl. „Zeigen Sie uns Ihren Keller. Außerdem möchte ich
das Klavier sehen.“
    „Was?“ Obrecht riß die Augen auf. „Sie
machen wohl Witze, Herr Polizeipräsident. Dieses Haus hat keinen Keller. Wir
haben eine Speisekammer und hinterm Klo einen Abstellraum, wo mein Kollege
Kessling schläft. Aber keinen Keller. Und ein Klavier? Was sollten wir damit?
Meine Frau kann nicht spielen — ich kann nicht spielen. Und Arthur Rubinstein ( weltberühmter
polnischer Pianist) besucht uns nicht mehr, seit er tot ist.“
    Glockner und Tim tauschten einen Blick.
Beide waren verblüfft. Wieso fühlte sich Obrecht so sicher?
    Eine Minute später war die Blamage
perfekt.
    Es gab tatsächlich keinen Keller. Und
in dem mit Versandhausmöbeln ausgestatteten Wohnraum war kein Klavier.
    „Na“, feixte Obrecht, „ist wohl nichts
mit dem erpresserischen Menschenraub?“
    Kessling war wach geworden und stand
schlaftrunken neben ihm. Pauline blickte mürrisch.
    Tim wandte sich an Glockner. „Ich weiß
genau: Als ich hier die Sonnenbrille abgab, spielte irgendwer im Hause Klavier.
Das war live. Kein Radio. An dem Klavier war ein Ton verstimmt. Der quietschte
wie ein Reifen bei Vollbremsung.“
    „Spinner!“ meinte Obrecht verächtlich.
    Tim blickte umher. Und die Erkenntnis
durchzuckte ihn wie ein Blitzstrahl.
    Er trat zur Wand, wo die Obrechts einen
schmalen Schrank hingestellt hatten.
    „Herr Glockner! Sehen Sie mal! Die
Tapete! Hier hat offensichtlich das Klavier gestanden — und zwar jahrelang. Die
Tapete ist hell und zeichnet den Umriß genau ab. An den freien Stellen ist sie
stark nachgedunkelt — man kann auch sagen: verdreckt. Kein Zweifel: Hier stand
das Klavier. Jedenfalls bis zum späten Samstagnachmittag. Dann wurde es
offenbar irgendwohin gebracht. Und zwar in jenes Haus, wo Herr Sauerlich und
ich im Keller eingekerkert waren. Dort hat leichtsinnigerweise einer der
Kidnapper geklimpert. Vielleicht der dritte — denn Obrecht und Kessling sehen
nicht sehr musikalisch aus. Daß sie zu dem Trio gehören, steht für mich fest.
Figürlich passen sie genau. Und ich erkenne Obrechts Stimme wieder. Aber wer
ist der dritte? Bei ihm steht jetzt das Klavier. Und er hat auch das Lösegeld.
Denn hier ist es ja nicht.“ Glockner starrte die Beschuldigten an. Dann drehte
er langsam den Kopf zur Seite. Paulines Blick war ihm aufgefallen. Zwar
blinzelte sie jetzt hastig — und musterte ihre Hände, als sehe sie die zum
ersten Mal. Doch ihre Besorgnis galt zweifellos dem zerkratzten Schreibtisch
dort hinten in der Ecke.
    Glockner trat hinzu.
Fernsehzeitschriften, billige Journale und Rechnungen lagen wirr durcheinander.
    Als er ein doppelt gefaltetes Blatt
öffnete, sah er die hingekritzelten Zeilen: Hiermit schulde ich Heinz
Obrecht 1500,- DM für ein gebrauchtes Klavier der Marke Schimmelgroschen. Der
Betrag wird von meinem Anteil einer noch zu erwartenden Zahlung einbehalten.
Alfons Krätzkow
    Darunter stand das Datum vom Samstag.
    Glockner schluckte. Für einen Moment
traute er seinen Augen nicht. Er las zweimal. Gab’s das? Offenbar. Die fühlten
sich sicher. Und wenn es um Geld und Sachwerte ging, waren sie offenbar
untereinander pingelig genau.
    Krätzkow! Also der! Langgesucht und
ständiges Ärgernis. Hier hing er mit drin. Hier tauchte er auf.
    „Herr Glockner, was ist denn?“ Tim
machte einen Schritt auf ihn zu.
    Wortlos hielt ihm der Kommissar den
Schuldschein hin.
     
    *
     
    Einer der Uniformierten bewachte das
verhaftete Ganovengesindel — als da waren Obrecht, dessen Frau und Kessling.
    Alle andern fuhren zu der angegebenen
Adresse. Denn Obrecht hatte ,gesungen’. Er wußte, daß jetzt mit Lüge und
Schweigen nichts mehr ging. Außerdem hätte er’s seelisch nicht ertragen, daß
Krätzkow auf freiem Fuß blieb, während er — Obrecht — für lange Zeit in den
Knast wanderte. Und diesmal für lange Zeit.
    Es war nicht weit bis zu dem
verwahrlosten Haus. Die Fenster im Obergeschoß hatten keine Gardinen.
    Es ging auf fünf Uhr zu. Krätzkow lag
bestimmt in tiefstem Schlaf, denn Ganoven seines Schlages sind fast nie
Frühaufsteher,
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