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Galgenfrist fuer einen Toten - Der 1 DOUGLAS BRODIE Thriller

Galgenfrist fuer einen Toten - Der 1 DOUGLAS BRODIE Thriller

Titel: Galgenfrist fuer einen Toten - Der 1 DOUGLAS BRODIE Thriller
Autoren: Gordon Ferris
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beeindruckter Achtjähriger.
    Ich unternahm einen Marsch in die eigene Vergangenheit, schüttelte mit jedem Schritt die Jahre von mir ab, befreite mich von der Politur der Bildung, von den Verhaltensweisen eines Städters, von Zynismus und drei Jahren harter Kämpfe. Weiter ging’s, den Hügel hinauf, zum Ortsteil Bonnyton. Links von mir gepflegte, rauchfarbene Reihenhäuser aus Sandstein. Gegenüber zu meiner Rechten eine Siedlung aus älteren, armseligeren Häusern, bewohnt von Bergarbeiterfamilien. Von hier holten die Busse Tag für Tag die Männer ab und brachten sie zu den schwarzen Flözen unter den fruchtbaren Hügeln von Ayrshire. Ich wandte mich nach Osten und marschierte durch die Reihen grauer Wohnhäuser und quer über die ausgedörrten Grünflächen. An den Leinen, die zwischen die gemeinschaftlich genutzten Pfosten gespannt waren, flatterte Wäsche. An jedem Ort der Welt hätte mich der Geruch frisch gewaschener Laken auf der Stelle in diese Siedlung zurückversetzt.
    Sie stand hinter den Netzgardinen, wie ich an einer Bewegung bemerkte, und hielt Ausschau nach mir. Und natürlich stürzte sie sofort nach draußen. Ihr winziger Körper flog mir entgegen, das glänzende weiße Haar flatterte im warmen Wind. Vor einer kleinen Ewigkeit hatte dieses Haar noch die Röte von Vogelbeeren besessen. Ich schien diese wilde Farbe von ihr geerbt zu haben. Doch mit zunehmendem Alter holten die schwarzen Borsten meines Vaters zum Gegenangriff aus und verliehen meinen kupferroten Haaren zum Ausgleich die Couleur von getrocknetem Blut. Lediglich meine morgendlichen Bartstoppeln hatten sich die grelle Farbe des mütterlichen Schlachtenbanners bewahrt. Und die dunklen Augen meines Vaters, seine Größe und die breiten Schultern des Bergarbeiters triumphierten letztlich über ihre grauen Augen und die elfenhafte Figur.
    »Hallo Mum«, rief ich, winkte, ließ meinen Seesack auf den Boden plumpsen und hielt die Arme für sie auf. Sie wetzte auf mich zu, unsicher, wo sie ihre Hände lassen sollte – vor dem Gesicht, ausgestreckt oder zu einem Dankesgebet gefaltet. Die Rückkehr des Helden.
    »Oh Douglas, Douglas. Da schau an! Mein kleiner Junge!«
    Schon strömten ihr Tränen über die Wangen. Und auch meine Augen waren feucht, als sie mich gegen sich drückte. Sie fühlte sich so zart und knochig wie ein Vögelchen an. Und roch so wie immer: nach einer Mischung aus Teerseife (mit der sie sich stets das Gesicht schrubbte) und Lavendel (von den Säckchen, die sie zwischen ihre Handvoll Kleider hängte). Genau der Geruch, der mein Zuhause ausmachte. Ich atmete ihn tief ein und wurde wieder zum Kind. Einige der Nachbarinnen streckten die Köpfe heraus, natürlich rein zufällig. Aber alle strahlten und freuten sich darüber, dass einer ihrer Söhne unversehrt heimgekehrt war. Auch wenn ihr Mannsvolk größtenteils nicht den Militärdienst angetreten hatte, weil die Bergarbeiter in den Gruben kriegswichtige Arbeiten verrichteten, gab es doch genügend Männer im Bekanntenkreis, die gar nicht oder als Kriegsversehrte zurückgekommen waren.
    Der einzige Schatten, der sich über diesen Tag und alle kommenden senkte, war die Abwesenheit des großen Mannes, dem sich der Kohlenstaub tief in die Hände und den Stirnansatz unterhalb des Schutzhelms eingegraben hatte. Die Abwesenheit meines Vaters. Drei Jahre nach seinem Tod war die rote Mähne meiner Mutter schlohweiß geworden, als gäbe es keine Verwendung mehr für ihre Haarpracht.
    Nachmittags würden wir mit Blumen zu seinem Grab gehen. Ich immer noch in Uniform, um ihm den erwachsenen Douglas zu zeigen. Den Mann, den er aus mir gemacht hatte. Aber ohne die Chance zu einem gutmütigen Lästern über die nunmehr von uns beiden getragene Uniform. Niemals würde er die Gelegenheit erhalten, vor mir mit einem unverschämten Grinsen zu salutieren, um zu demonstrieren, dass auch ein Feldwebel seinem Sohn die Ehre erweisen kann, selbst wenn aus ihm ein verdammter Offizier geworden ist.
    Doch diese Heimkehr würde anders verlaufen. Nichts blieb mehr von dem Schwung und dem Gefühl von Unverwundbarkeit übrig – all dem, was mich vor zweieinhalb Jahren bei meiner Rückkehr beflügelt hatte. Meine Haut wies inzwischen die typische Londoner Blässe auf, der braunrote Haarschopf war an den Koteletten bereits grau gesprenkelt. Obwohl ich erst 34 war, auf halber Strecke zum biblischen Alter, ging es mit mir bereits abwärts.
    Diese Aufforderung zur Heimkehr war zu schnell gekommen. Es kam mir
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