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Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman
Autoren: Anne Perry
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nicht einen Hang zum Selbstmord haben. Weder wird Ballinger Sir Oliver dafür gewinnen, Ihnen zu helfen, noch werde ich die Fehler, die ich bei Phillips gemacht habe, wiederholen.«
    »Monk!«, rief Rathbone in dringlichem Ton, die Stimme scharf wie eine Peitsche.
    Monk wirbelte zu ihm herum und starrte ihn böse an, den Vorwurf der Feigheit und Komplizenschaft auf der Zunge.
    »Als stammelndes Nervenbündel ist er ohne Nutzen für uns«, mahnte ihn Rathbone sanft. »Wir wollen doch nicht, dass er vor Angst den Verstand verliert.« Seine Augen bohrten sich wieder in die Sullivans. »Gleichwohl hat Monk recht. Sind Sie auf unserer Seite? Sie sehnen sich nach der Gefahr – hier wird sie Ihnen in rauen Mengen geboten. Wägen Sie die Risiken ab. Phillips könnte Sie in den Abgrund reißen, vielleicht aber auch nicht. Wir aber werden das in jedem Fall tun, daran besteht nicht der geringste Zweifel. Ich persönlich werde Sie in den Ruin treiben, das schwöre ich Ihnen.«
    Sullivan brachte kein Wort mehr hervor. Er nickte nur und murmelte irgendetwas Unverständliches.
    Monk fragte sich, ob der Richter die Erregung, für die er so viel riskiert hatte, nur als theoretische Vorstellung kannte, und die Gefahr, tatsächlich bloßgestellt und vernichtet zu werden, nie als Realität begriffen hatte. Über all das hinaus musste er auch einen Hang zum Sadismus haben. Für die Jungen hatte es jedenfalls nie eine Chance oder nur die Hoffnung auf Entkommen gegeben. Kalter Ekel wallte in ihm auf und hinterließ einen bitteren Geschmack. Er wandte sich ab. »Rathbone wird Ihnen sagen, was Sie zu tun haben«, knurrte er. »Vielleicht sollte er Sie auch persönlich hinbringen.«
    »Natürlich bringe ich ihn hin!«, blaffte Rathbone. »Glauben Sie etwa, ich würde zurückbleiben?«
    Verblüfft über diesen Gefühlsausbruch, drehte sich Monk wieder zu ihm um. Beim Anblick der empörten Miene seines Freundes wurde ihm warm ums Herz.
    Rathbone bemerkte das. Um seine Lippen spielte ein winziges Lächeln, und seine Augen waren hell und klar. »Sie werden jede Hilfe benötigen, die Sie kriegen können. Und möglicherweise einen Zeugen, dessen Wort vor Gericht Bestand hat.« Seine Lippen kräuselten sich voller Ironie. »Das hoffe ich zumindest. Abgesehen davon: Glauben Sie etwa, ich würde mir das entgehen lassen?«
    Monk nickte. »Sehr schön. Dann treffen wir uns in der Abenddämmerung bei den Wapping Stairs.«
    Rathbone holte tief Luft, dann zögerte er.
    Monk wartete. Er wusste, dass sein Freund nach Worten für etwas suchte, das ihn schmerzte.
    Rathbone seufzte. »Würden Sie Hester bitte sagen, dass …«
    »Das können Sie ihr persönlich sagen«, erwiderte Monk sanft. »Sie kommt mit.«
    Rathbone starrte ihn entgeistert an. Dann regte sich Widerspruch. »Sie können sie unmöglich mitnehmen!«, rief er. »Von der Gefahr ganz zu schweigen, wird sie mit etwas konfrontiert sein, das keine Frau sehen sollte. Haben Sie Ihre eigene Aussage vor Gericht nicht gehört, Mann? Wir werden auf mehr stoßen als nur auf Armut, Angst oder Schmerz. Es wird …« Er stockte und verstummte.
    »Ich habe ihr mein Wort gegeben«, erwiderte Monk. »Es geht um Scuff.« Es fiel ihm schwer, den Namen auszusprechen. »Und außerdem ist sie die Einzige mit medizinischem Wissen, falls jemand verletzt ist.«
    »Aber dort werden Männer in höchst …« Rathbone stockte.
    »Heiklen Situationen?«, schlug Monk vor. »Nackt?«
    Rathbone unternahm einen neuerlichen Anlauf. »Keine Frau sollte …«
    »Glauben Sie denn, dass Sie das verkraften werden?«, fragte Monk mit einem Ausdruck von Mitgefühl in der Stimme, der selbst ihn überraschte.
    Rathbones Augen weiteten sich.
    »Haben Sie jemals ein Schlachtfeld gesehen?«, setzte Monk nach. »Ich schon. Einmal. Noch nie habe ich solches Grauen erlebt wie damals. Aber Hester wusste, was zu tun war. Vergessen Sie Ihre Vorurteile, Rathbone. Sie werden der Realität begegnen.«
    Rathbone schloss die Augen und nickte, zu keinem Wort mehr fähig.
     
    In der Abenddämmerung wartete Monk am Kai unmittelbar hinter der Anlegestelle der Wasserpolizei in Wapping. Neben ihm stand Hester. Sie trug eine Hose, die Orme aus dem Spind eines jungen Kollegen geborgt hatte. Am nächsten Morgen würde er sich dafür entschuldigen und ihm erklären, warum das notwendig gewesen war. Sich in ihren Röcken in ein solches Abenteuer zu stürzen wäre für Hester höchst unpraktisch und gefährlich gewesen. Sie würden sie ständig behindern und
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