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Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition)

Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition)

Titel: Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition)
Autoren: Karsten Kruschel
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wir. Zwei Minuten. Kommt im absolut letzten äußersten Augenblick, womöglich.«
    Michael stand unbehaglich. Der vertrocknete alte Mann lüpfte die Gardine und betrachtete seine Uhr, die über dem Schreibtisch leuchtende Zahlen in die Luft schrieb. Dass auf diesen Posten immer jene verdienstvollen Persönlichkeiten saßen, die nicht ohne Amt auskamen. Nicht viel taten, sich wichtig fanden. Und den Bogen heraushatten, wie sie dem, was sie taten, den Anstrich höherer Bedeutung verleihen konnten. Nur einen Posten ausfüllten. Ohne jemals wirklich etwas zu tun. Und andererseits, dachte Michael, andererseits geschieht den Leuten, die wirklich leben und tatsächlich etwas machen wollen, immer wieder Schreckliches. Natürlich dachte er an seinen Bruder, der vor Jahresfrist verschwunden war, irgendwo im Weltall. Und natürlich tat der Gedanke weh. Man hatte Tasso inzwischen für tot erklärt. Michael würde das nie akzeptieren. Tasso lebte, und irgendwann würde er es beweisen können. Michael wusste, dass diese Überzeugung fiktiv war. Eine Selbsttäuschung. Eine verhinderte Trauerarbeit. Die Seelenheinis hatten es ihm tausendmal auseinandergesetzt. Na und?
    Vom Terminal kam leises Piepsen, die Zeit war herum. Die in die Luft gemalten Zahlen erstarrten zur vollen Stunde und lösten sich auf.
    Der Alte drehte sich um und streifte den Saum der Gardine von den Schultern. Seine Augen musterten Michael kurz. »Hab die Zeit einprogrammiert. Falls ich was vergessen sollte. Kommt vor. Wie heißen Sie?«
    Michael wiederholte sehr gewissenhaft seinen Namen. Tippen auf der Tastatur. Warten auf Daten aus dem Netz. Die wässrigen Augen des Alten musterten den Studenten, als wäre der junge Mann ein ekliges Tier. Schmal, blass, ungesund, ein Bild des Jammers.
    »Weiß wirklich nicht«, sagte der Alte, »was die Leute heutzutage daran finden, auch noch das letzte Gift einzuwerfen. Macht euch alle kaputt, alle miteinander.«
    »Ich habe nicht ...«, begann Michael. Der Mann beachtete ihn überhaupt nicht.
    »Neulich einen rausgeworfen, der bis zum Ycorgan heruntergekommen war. Drei Jahre in fünf Minuten, meinte der Typ. Völlig neben der Rolle.«
    Michael verzichtete auf eine Antwort. Der Alte richtete seine bröcklige Aufmerksamkeit wieder auf den Rechner, sein Blick huschte über Zeilen auf der Anzeige. Neues Tippen. Der Drucker brummte.
    »Diesen einen letzten Zuspätkommer werden wir rauswerfen müssen«, sagte der kleine Mann und zog einige Blatt Papier aus der Maschine.
    »Das ist die Liste übriggebliebener Themen für die Abschlussarbeit. Sind die besten Sachen, der Rest vom Rest, harhar.« Der Mann stieß ein meckerndes kurzes Gelächter aus, das staubig und kraftlos klang. »Alles alte Hüte. Interessant wie Weißes Rauschen Typ eins.«
    Er hielt den schmalen Stapel Blätter vor sich wie eine Trophäe und zitierte die Überschriften der verbliebenen Themen, die Arbeiten, die niemand hatte schreiben wollen.
    »Erstens. Die Phänomene der Isolation vom Hauptstrom der kulturellen Entwicklung auf Engambosch und ihre Auswirkungen auf die Sprachentwicklung.«
    Dramatisch knisternd senkte sich das Blatt, ein verschlafener Blick unter müden Lidern hervor traf auf Michael Sanderstorm. Ein leises Kopfschütteln, in das Michael beinah eingefallen wäre. Wer dachte sich solche Themen aus? Leute, die so seltsam dachten, wie die Engambosch redeten? Der vergilbte Mann deklarierte sein nächstes Thema, das ebenfalls keiner wollte.
    »Die Spätfolgen und Lehren aus dem galdäischen Krieg, unter Berücksichtigung einheimischer Quellen.«
    Mit zitternder Hand wurde dieses Blatt Papier genauso beiseite gelegt, wen interessierte schon ein alter, winziger und unverzüglich vergessener Krieg. Der wer weiß wievielte Stellvertreter erhob das dritte seiner angestaubten Blätter wie eine Waffe.
    »Ökonomische Abhängigkeitsverhältnisse zwischen den Werften von Penta IV, dargestellt mit freundlicher Unterstützung von Strahlendhelle Eintracht und Kind des Glücks . Was für ein Jammer.«
    Der Alte wackelte mit dem Kopf, als hätte er Furcht, sein Schädel könnte bei allzu heftigen Bewegungen vom Rumpf getrennt werden, und reichte Michael mit leise zitternder Hand das Blatt.
    »Selbst schuld. Wer zuerst kommt. Und wir hatten dieses Jahr so schöne Möglichkeiten. Wirklich schön. Und attraktiv.«
    Der alte Mann seufzte theatralisch.
    »Ist natürlich alles weg. Bis auf diesen Kram da. Das da. Das würde ich nicht freiwillig machen. Nie. Wenn man mich
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