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Funke, Cornelia

Funke, Cornelia

Titel: Funke, Cornelia
Autoren: Rekkless
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Rückweg gebraucht hatten. Zurück, wohin? Es gab kein
Zurück mehr, aber Jacob hatte nicht das Herz gehabt, Will das zu sagen.
    Chanute
fuhr sich durch das borstige graue Haar. »Vier Tage? Vergiss es. Dann ist er
schon halb einer von ihnen. Erinnerst du dich noch an die Zeit, in der die
Kaiserin sie in allen Farben gesammelt hat und dieser Bauer uns einen Toten
als Onyx andrehen wollte, dem er die Mondsteinhaut mit Lampenruß gefärbt
hatte?«
    Ja, Jacob
erinnerte sich. Die Steingesichter. So hatte man sie damals noch genannt und
Kindern Geschichten über sie erzählt, um ihnen Angst vor der Nacht zu machen.
Während er mit Chanute umherzog, hatten sie gerade begonnen, auch in Höhlen
über der Erde zu hausen, und jedes Dorf hatte Goyl-Hetzjagden organisiert. Aber
inzwischen hatten sie einen König und er hatte aus den Gejagten Jäger gemacht.
    Neben der
Hintertür raschelte es und Chanute zog sein Messer. Er warf es so schnell,
dass er die Ratte im Sprung an die Wand nagelte.
    »Diese
Welt geht zugrunde«, knurrte er und schob den Stuhl zurück. »Die Ratten werden
groß wie Hunde. Auf der Straße stinkt es wie in einer Trollhöhle von all den
Fabriken und die Goyl stehen nur ein paar Meilen von hier.«
    Er hob die
tote Ratte auf und warf sie auf den Tisch.
    »Es gibt
nichts, was gegen das Steinerne Fleisch hilft. Aber wenn es mich erwischt
hätte, würde ich zu einem Hexenhaus reiten und im Garten nach einem Busch mit
schwarzen Beeren suchen.« Chanute wischte sich das blutige Messer am Ärmel ab.
»Allerdings muss es der Garten einer Kinderfresserin sein.«
    »Ich
dachte, die wären alle nach Lothringen gezogen, seit nicht nur die Kaiserin,
sondern auch die anderen Hexen sie jagen?«
    »Aber ihre
Häuser sind noch da. Die Büsche wachsen dort, wo sie die Knochen ihrer Opfer
vergraben haben. Die Beeren sind das stärkste Gegenmittel gegen Flüche, von dem
ich weiß.«
    Hexenbeeren.
Jacob musterte die Ofentür, die an der Wand hing. »Die Hexe im Schwarzen Wald
war eine Kinderfresserin, oder?«
    »Sie war
eine der schlimmsten. Ich hab in ihrem Haus mal nach einem dieser Kamme
gesucht, die dich in eine Krähe verwandeln, wenn du sie ins Haar steckst.«
    »Ich weiß.
Du hast mich vorgeschickt.«
    »Tatsächlich?«
Chanute rieb sich verlegen die fleischige Nase. Er hatte Jacob weisgemacht,
dass die Hexe ausgeflogen war.
    »Du hast
mir Schnaps auf die Wunden gegossen.« Man sah die Abdrücke ihrer Finger immer
noch an seinem Hals. Es hatte Wochen gedauert, bis die Brandwunden geheilt
waren. Jacob warf sich den Rucksack über die Schulter. »Ich brauche ein
Packpferd, Proviant, zwei Flinten und Munition.«
    Aber
Chanute schien ihn nicht gehört zu haben. Er starrte auf seine Trophäen. »Gute
alte Zeiten«, murmelte er. »Die Kaiserin hat mich dreimal persönlich empfangen.
Auf wie viele Male hast du es gebracht?«
    Jacob rieb
das Tuch in seiner Tasche, bis er zwei Goldtaler zwischen den Fingern fühlte.
    »Zweimal«,
sagte er und warf die Taler auf den Tisch. Er brachte es inzwischen auf sechs
kaiserliche Audienzen, aber Chanute machte die Lüge sehr glücklich.
    »Steck das
Gold wieder ein!«, brummte er. »Ich nehme kein Geld von dir.« Dann hielt er
Jacob sein Messer hin.
    »Hier«,
sagte er. »Es gibt nichts, was diese Klinge nicht zerschneidet. Ich hab so
eine Ahnung, dass du sie nötiger brauchen wirst als ich.«
     
    6
    VERLIEBTER
NARR
     
    Will war
fort. Jacob sah es, sobald er das Packpferd  durch das
zerfallene Tor der Ruine führte. Sie lag so verlassen da, als wäre sein Bruder
ihm nie durch den Spiegel gefolgt, als wäre alles gut und diese Welt immer
noch sein, nur sein. Für einen Moment ertappte er sich dabei, dass er fast
erleichtert war. Lass ihn gehen, Jacob. Warum
nicht vergessen, dass er einen Bruder hatte?
    »Er hat
gesagt, er kommt zurück.« Fuchs saß zwischen den Säulen. Die Nacht schwärzte
ihr das Fell. »Ich habe versucht, ihn aufzuhalten, aber er ist genauso
starrsinnig wie du.«
    Noch ein Fehler, Jacob. Er hätte Will mit nach Schwanstein
nehmen sollen, statt ihn bei der Ruine zu verstecken. Will wollte nach Hause.
Nur nach Hause. Aber den Stein würde er mitnehmen.
    Jacob
stellte das Pferd zu den zwei anderen, die hinter der Ruine grasten, und ging
auf den Turm zu. Sein langer Schatten schrieb ein einziges Wort auf die
Fliesen: Zurück.
    Eine Drohung für dich, Jacob, ein Versprechen für Will.
    Der Efeu
wuchs so dicht an den verrußten Steinen hinauf, dass seine immergrünen
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