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Fuerstin der Bettler

Fuerstin der Bettler

Titel: Fuerstin der Bettler
Autoren: Peter Dempf
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melodisch und drang zumindest in Satzfetzen bis zu ihr hinab. »... Mörderin ... Mann und Kind ... beinahe ... Stadt niedergebrannt ...«, vernahm sie. Die Worte »... Schleusen ... ertrinken ...« und das Klirren einiger Geldstücke drangen bis zu ihr herunter, dann wurden die Geräusche schwächer, offenbar gingen die beiden Männer über ihr fort. Sie hörte nur noch ein verhaltenes Lachen, wie über ein gutes Geschäft. Dann war alles wieder still.
    Kurze Zeit später begannen Ketten zu rasseln. Ein Gluckern setzte ein, so deutlich und so nah, dass sie glaubte, sie würde plötzlich mitten in einem der Lechkanäle sitzen. Schließlich spürte sie eine eisige Strömung an ihren Füßen. Das Rauschen wurde stärker. Aus den Ritzen zwischen den Bohlen schossen feine Strahlenfinger. Das Wasser in ihrer Zelle stieg! Es war so kalt, dass sie das Gefühl hatte, ihre Zehen würden abfrieren.
    Hannah tastete nach den Holzbohlen und spürte, wie durch die Ritzen hindurch Wasser in ihr Gefängnis gepresst wurde. Der Wächter hatte eine Schleuse zu den Lechkanälen geöffnet!
    Es stimmte also, was man sich in der Stadt über dieses Loch hier erzählte. Dass die Gefangenen dort gefoltert wurden. Dassman sie beinahe ertrinken ließ, damit man Geständnisse aus ihnen herauspressen konnte. Dass der eine oder andere Delinquent dabei tatsächlich ertrank, was weiter nicht tragisch war, denn schuldig waren sie alle, die in diese Wasserzelle gesperrt wurden. Aber sie war nicht schuldig. Sie war unschuldig. Und niemand hatte sie bislang zu irgendetwas befragt oder überhaupt angehört.
    Hannah hämmerte erneut gegen die Holzluke über ihr, während das Wasser bereits ihre Knie umspülte und die Beine darunter gefühllos wurden.
    Bald wurden ihr die Arme lahm vom Hämmern. Die Fäuste fühlten sich an wie Bleigewichte, sie waren blutig und zerschrammt, und die Beine drohten unter ihr wegzuknicken, weil sie sie nicht mehr spürte. Wie weit würde das Wasser noch steigen? Bis zum Hals, bis zum Kinn?
    Als der Wasserspiegel ihr bis zur Brust reichte, hörte sie auf, gegen die Luke zu hämmern. Sie versuchte wieder zu schreien – und tatsächlich spürte sie, wie die feuchte Kühle ihrer Kehle wohltat. Sie konnte plötzlich wieder krächzen. Sie konnte einen einzelnen Ton hervorbringen. Doch das Wasser stieg unaufhaltsam. Hannah stellte sich auf die Zehenspitzen, damit sie nicht mit Mund und Nase unter Wasser geriet. Schließlich verlor sie den Boden unter den Füßen, doch sie konnte immer noch kurz Luft holen, wenn sie sich sinken ließ und sich vom Boden abstieß, um immer wieder aufzutauchen.
    Doch dann stieß sie mit dem Kopf gegen die Bohlendecke und fand keinen Platz mehr, um zu atmen. Sie hatte immer gedacht, dass der Irrsinn sie in diesem Augenblick packen und mit sich reißen würde. Doch nichts dergleichen geschah. Sie wurde ruhig, hielt die Luft an und ließ sich einfach sinken. In völliger Gelassenheit beschloss sie, ein letztes, ein allerletztes Mal zu versuchen, an die Oberfläche zu kommen. Wenn ihr dies nicht gelänge, dann würde sie einfach einatmen, das Wasser tief in dieLungen saugen und ertrinken. Kaum hatte sie den Boden berührt, schnellte sie nach oben in dem Wissen, dass sie mit dem Kopf gegen die Falltür schlagen würde. Doch sie durchbrach den Wasserspiegel, wurde an den Schultern gepackt, hochgerissen, auf den Boden geworfen und dort liegen gelassen.

4
    Z ieht Euch aus, rasch!«, hörte sie jemanden sagen, noch während sie nach Luft schnappte. Ihr ganzer Körper war ein einziges Zittern. Sie hätte nicht stehen, geschweige denn eine Bewegung machen oder sich gar ausziehen können.
    Schwielige Hände packten sie, rissen ihr das Nachthemd vom Leib, das sie seit der Stunde trug, als sie aus der brennenden Apotheke geflohen war. Sie lag da, bloß und verstört, und sah, wie der Mann in dem dunklen Raum, in dem sie sich nun befand, sich an einer weiteren Frau zu schaffen machte. Auch ihr zog er das Hemd über den Kopf. Hannah schämte sich ihrer Nacktheit, doch jede Bewegung raubte ihr beinahe die Sinne, sodass sie sich nicht bedecken konnte. Der Mann kam zurück, sah auf sie hinab und holte tief Luft. »Mein Gott«, murmelte er und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, als könne er nicht glauben, was er sah. »Hier«, sagte er schließlich und wandte sich ab, »zieht das über. Rasch.«
    Hannah stöhnte, doch ihre Gliedmaßen waren derart steif und unbeweglich, dass sie nur reglos daliegen konnte.
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