Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fürchte deinen Nächsten!

Fürchte deinen Nächsten!

Titel: Fürchte deinen Nächsten!
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
sind.« Er schüttelte den Kopf. »Das ist kein Mensch gewesen, auch kein Tier, denn Tiere tun so etwas nicht. Das war…«, er holte noch einmal Luft, »… das war ein Teufel, Sir. Ein Teufel. Einen anderen Ausdruck finde ich nicht. Da muß jemand aus der tiefsten Hölle gestiegen sein, um auf die Erde zu kommen. Er hat die Kirche pervertiert, und das will mir nicht in den Kopf.«
    »Wie meinen Sie das?« fragte ich.
    Rankin schob mich weiter. »Kommen Sie mit in die Kirche. Dann werden Sie es selbst sehen.«
    Der Pfarrer hielt mich noch fest. Seine Finger waren wie eine Kralle. »Bitte«, drang es flüsternd über seine bleichen Lippen. »Finden Sie den Killer. Holen Sie sich das Ungeheuer. Wenn ich keinem Menschen den Tod wünsche, und der Allmächtige möge mir verzeihen, aber ihm wünsche ich ihn. Einer wie er darf nicht mehr leben.«
    »Wir werden alles tun, das verspreche ich Ihnen.«
    »Danke.«
    »Floskeln, nichts als Floskeln«, murmelte Rankin. »So etwas sage ich auch immer, wenn ich am Beginn stehe. Aber der Mann hat recht. Es ist unbegreiflich.«
    Suko war schon vorgegangen und zog die Tür der Kirche auf. Sie knarrte, und es hörte sich an, als wäre der Eingang zu einer alten Gruft geöffnet worden.
    Wir betraten die Kirche, die normal aussah, aber trotzdem anders war, denn das übliche Halbdunkel verteilte sich nur im hinteren Bereich. Weiter vorn, besonders in der Nähe des Altars, standen noch die Scheinwerfer, deren Strahlen auf den Altar gerichtet waren. Helle, schon brutale Lichter, die alles ausleuchteten.
    Im ersten Moment hatte ich den Eindruck, als sollte hier ein Film gedreht werden. Am Set stand noch alles, und nur die Akteure waren für einige Minuten in die Pause gegangen.
    In einer leeren Kirche ist es immer still, das wußte ich. Und es herrscht dort auch eine besondere Ruhe, die ich manchmal als heilige Stille empfand. Auch hier war es still, nur anders. Diese Ruhe kam mir bedrückend vor. Sie war wie ein unsichtbares Gitter, das alles eingeklemmt hatte, einschließlich Menschen.
    Als wir nach vorn auf den Altar zugingen, dämpften wir unwillkürlich unsere Schritte. Jedes Geräusch empfand ich zumindest als störend. Selbst Rankin hielt sich zurück. Die Farbe seines Gesichts sah blauweiß aus, und er hielt die Lippen fest zusammengepreßt.
    Wir nahmen den Mittelgang. Für die Bankreihen hatten wir keinen Blick. Auf dem Boden befanden sich noch die Markierungen der Kollegen von der Mordkommission. Durch die Fenster sickerte das graue Licht des Spätherbsttages. Es verteilte sich wie blasser Nebel auf dem Boden. An einer Säule stand noch das Putzzeug der Toten. Zwei Eimer, ein Mop, Wischlappen…
    Rankin hatte uns vorgehen lassen. Suko und ich schritten nebeneinander her. Mit jedem Schritt, den wir zurücklegten, verkürzte sich die Entfernung. Es war völlig normal, aber ich empfand es in dieser Situation als anders. Für mich schien die Kirche zusammenzuwachsen. Sie verkleinerte sich, und sie verlor dabei ihre ureigenste Bestimmung. Das Gute war geflohen, ebenso wie die Hoffnung. Etwas Schreckliches, geboren in der Tiefe der Hölle, hatte von ihr Besitz ergriffen. Es strömte eine unerklärliche Kälte aus, die sich in mein Inneres hineinfraß und mich frösteln ließ.
    Das war ein Augenblick, an dem ich mich weit, weit weg wünschte, doch ich konnte nicht kneifen und mußte den Tatsachen ins Auge blicken.
    Die Tatsache lag auf dem Altar. Sie war eine Frau, und sie war tot. Das nahm ich hin. Ich konnte es nicht ändern, ich ging aber auch nicht weiter, weil ich nicht in das Blut treten wollte, das aus den Wunden gesickert war und sich um den Altar herum verteilt hatte.
    Mehr wollte ich nicht sehen, obwohl ich hinschaute. Ich nahm es einfach nicht zur Kenntnis. Das Bild war zu schrecklich. Eine innere Sperre baute sich bei mir auf. Ich war dabei, mich zu verwandeln. Ich wurde zu einem Baum, zu einem anorganischen Gegenstand, einem Stein oder irgend etwas in der Richtung.
    Neben mir hörte ich Suko schwer atmen. Jetzt konnte ich verstehen, weshalb die Kollegen der Mordkommission so bleich ausgesehen hatten. Dieses Bild war einfach zu schrecklich. Da weigerte sich der Verstand eines Menschen, es aufzunehmen.
    Wie lange ich vor dem Altar gestanden hatte, wußte ich nicht. Es konnten zwei oder auch zehn Minuten gewesen sein. Das Zeitgefühl war mir verlorengegangen. Irgendwann drehte ich mich um und schaute direkt in Alex Rankins Gesicht hinein.
    Die Lippen des Mannes zuckten. Er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher