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Für Nikita

Für Nikita

Titel: Für Nikita
Autoren: Polina Daschkowa
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übergießt sie mit eiskaltem Wasser.«
    »Das nennt man Diät und Abhärtung«, erklärte der Anwalt. »Schlägt sie die Kinder?«
    »In meiner Gegenwart nie.«
    »Na sehen Sie.« Der Anwalt zuckte die Achseln. »Ein Entzug des Sorgerechts ist selbst bei Prostituierten und Alkoholikerinnen
     ziemlich schwierig. Und Ihre Frau ist eine ideale Mutter.«
    »Ich verstehe.« Jegorow nickte. »Sie können mir also überhaupt nicht helfen, nein?«
    »Ich an Ihrer Stelle würde vor allem versuchen herauszufinden, was das für eine Sekte ist, wer dahintersteht.«
    »Den Unterricht gibt ein Asiat, ein Koreaner oder Turkmene. Sie nennen ihn Guru. Einmal wollte ich ihn nach dem Unterricht
     abfangen. Ein schwarzer Mercedes mit verdunkelten Scheiben hielt direkt vor der Tür, er schlüpfte in den Wagen, und der fuhr
     sofort los. Hören Sie, vielleicht könnten Sie ja etwas über diese Gruppe herausfinden? Es soll Ihr Schade nicht sein.«
    »Nein, nein, entschuldigen Sie, aber ich bin Anwalt, kein Privatdetektiv. Übrigens, wenn Ihre Mittel es erlauben, dann würde
     ich Ihnen raten, sich an eine private Detektei zu wenden, ich kann Ihnen da eine empfehlen. Sie hat erst kürzlich aufgemacht
     und ist auf Sekten spezialisiert.«
    Der Anwalt kramte in einem Papierstapel auf seinem Tisch und reichte Jegorow einen ansprechend gestalteten Werbezettel.
    Agentur »Garantija«. Dienste von Privatdetektiven. FamiliäreProbleme, Hilfe für angehende Geschäftsleute, Wachschutz, Schuldnersuche, Schutz von Leben und Eigentum.
     
    Grigori Petrowitsch Russow erstarrte auf der Wohnzimmerschwelle und betrachtete einige Augenblicke lang schweigend unverwandt
     seine Frau. Sie saß seitlich zu ihm auf dem Ecksofa, die Beine angezogen. Ihr dunkelblondes Haar war offen. Sie hielt ein
     Buch in der Hand und war so versunken in die Lektüre, daß sie ihren Mann weder kommen hörte noch seinen Blick spürte.
    »Nika, weißt du, wie spät es ist?« fragte er.
    »Halb zwei«, erwiderte sie, ohne von ihrem Buch aufzusehen.
    »Drei, mein Mädchen. Halb drei.
    »Im Ernst?« Sie warf einen kurzen Blick auf die antike Wanduhr und wandte sie sich wieder ihrem Buch zu. »Geh schlafen, Grischa.
     Ich lese noch ein bißchen.«
    Er setzte sich zu ihr und nahm ihr das Buch aus der Hand.
    »Viktor Godunow. Der Triumphator« stand auf dem Umschlag.
    Russow schlug das Buch zu und warf es lässig auf den Couchtisch. Auf der Rückseite prangte ein Foto des Autors.
    »Er ist alt geworden, findest du nicht?« fragte Russow hastig und legte seiner Frau den Arm um die Schultern.
    »So?« Nika nahm das Buch. »Finde ich nicht. Das Foto ist einfach nicht besonders.«
    Eine Weile schwiegen beide.
    »Und, wie ist der Roman?« fragte Russow nach kurzem Hüsteln.
    »Lies ihn doch mal.« Nika lächelte. »Er ist sehr gut.«
    Russow zog erstaunt die Brauen hoch. »Du hast doch Krimis nie gemocht.«
    »Hör auf, Grischa.« Nika runzelte die Stirn. »Ist es dir etwa unangenehm, mich mit seinem Buch in der Hand zu sehen? Du weißt
     genau, wie gut er schreibt.«
    »Ich will das mit dir nicht erörtern!« schrie er plötzlich, noch bevor sie ausgeredet hatte. »Ich möchte nicht über ihn sprechen,
     hast du verstanden?«
    Sie antwortete nicht, sondern stand schweigend vom Sofa auf, doch er packte ihre Hand und zog sie mit Gewalt wieder zurück,
     wollte weiterschreien, aber in diesem Augenblick klingelte sein Handy, von dem er sich in letzter Zeit nie trennte, nicht
     einmal nachts.
    Nika nutzte die Gelegenheit, stand auf und verließ mit dem Buch in der Hand das Zimmer.
    »Ja. Was?! Wie – nicht da?! Habt ihr richtig nachgesehen? Und Disketten? Warum hast du das gestern nicht gesagt?« Er sprang
     auf, blickte kurz in den Flur und schloß hastig die Zimmertür.
    Sein Gesicht versteinerte zusehends. Diesmal war er nicht rot, sondern bläulichblaß und leckte sich unentwegt die trockenen
     Lippen.
    »So, und im Computer?« fragte Russow abgehackt, mit gedämpfter Stimme. »Ist mir scheißegal, daß sie nichts von Computern verstehen.
     Dann finde gefälligst jemanden, der was davon versteht.«
    Nika bemühte sich, nicht zuzuhören, doch einzelne Worte drangen durch die geschlossene Tür und gellten ihr unangenehm im Ohr.
     Das heißt, weniger die Worte als der Ton.
    »Gut«, zischte Russow, »sieh zu, daß du eine andere Lösung findest. Aber vorsichtig.«
    Nika saß in der Küche, rauchte und starrte wieder in ihr Buch. Sie blickte nicht einmal auf, als er hereinkam. Er rückte
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