Fuer den Rest des Lebens

Krankheit, und eigentlich müssten sie sich jetzt in einem gepflegten Garten vergnügen, mit Weißweingläsern in den Händen, oder sie müssten ihre Koffer für eine kurze Vergnügungsreise packen. Plötzlich hat er das Gefühl, er müsse sie warnen, ihnen die Augen öffnen und sie hier wegbringen, bevor es zu spät wäre, ihr seid in eine vergiftete Hütte geraten, die Hexe wird aus euch einen Brei kochen. Doch dann kommt der Arzt zu ihnen und mischt sich in ihr Gespräch, und Avner wird blass, es ist zu spät für seinen Auftrag, ab jetzt wird drei Tage lang kein Bissen über seine Lippen kommen und schlimme Bauchschmerzen werden ihn plagen. Angst packt ihn, denn er begreift, dass es neben ihm, genau neben ihm, mit einem Menschen zu Ende geht, und dieser Mann, dem er sich plötzlich ganz nah fühlt, liebt und geliebt wird, in diesem Moment, in dem er vernichtet wird wie Zeitungspapier, das man in ein Lagerfeuer wirft, um die Flammen zu erhalten, so wie er selbst, Avner Horowitz, nie geliebt hat und nie lieben wird.
    Nehmt mich an seiner statt, möchte er sagen, denn dieser Mann, dieser kranke Körper, enthält lebendige Liebe, und sein zu erwartender Tod ist wie der Tod einer schwangeren Frau, er ist das verkörperte Unrecht, und schon ist er bereit, sich auf den mageren Körper zu werfen, um ihn vor dem Gericht zu verteidigen, das für das Schicksal des Körpers zuständig ist, doch schon bald wird sein Mitleid mit diesem Paar vom Mitleid mit sich selbst und seinen Söhnen verdrängt, vor allem mit dem Kleinen, der sich überhaupt nicht an ihn erinnern wird, und sogar mit Schlomit, er meint ihren eindringlichen Blick zu spüren, warum gibst du so leicht auf, warum kämpfst du nicht? Und schon wundert er sich, wie sehr sich die Gesetze des Lebens und des Todes unterscheiden, vielleicht verdient es gerade derjenige, der Liebe kennengelernt hat, gelassen von der Welt zu gehen, und wer keine Liebe kennt, ist dazu verdammt, zu bleiben und den Rest zu vollenden, vielleicht verhält sich deshalb das Paar nebenan so ruhig, als gäbe es keinen Abgrund zwischen dem Leben und dem Tod, als könne man sich mit dem einen wie mit dem anderen abfinden, aber wer wird diese nicht mehr ganz junge Frau trösten, deren Schönheit durch den Vorhang bis zu ihm strahlt, und was wird mit ihrer Liebe, wo lassen sich die lebendigen Lieben nach dem Tod der Menschen nieder. Wenn er nur aus aller Kraft beten könnte, würde diese abgeschnittene Liebe vielleicht sogar zu ihm selbst kommen, so wie das Fleisch seiner Mutter zu ihm gekommen ist. Sie liegt bewegungslos vor ihm, mit der Überheblichkeit eines Menschen, der ein hohes Alter erreicht hat und dessen gutes Recht es ist, den anderen zur Last zu fallen, während ihre ganze Vitalität sich an das Leben klammert, und nachdem er sich die Mühe gemacht hat, seinen Körper zu opfern, ist er bereit, ihren Körper zu opfern, ihr Fleisch in das brennende Lagerfeuer neben sich zu werfen, um jenem Mann, der noch immer ein feines, fast entschuldigendes Lächeln zeigt, während er in Flammen aufgeht, ein paar zusätzliche Jahre des Lebens und der Liebe zu verschaffen.
    Mach dir keine Sorgen, gleich wirst du dich besser fühlen, hört er die Frau flüstern, und nickt dankbar, als habe diese aufmunternde Bemerkung ihm gegolten, gleich wirst du dich besser fühlen, mach dir keine Sorgen, aber wie sollte er sich keine Sorgen machen, wenn er keinen Ausweg findet, seit Jahren schlägt er sich mit den gleichen Fragen herum, was tue ich mit dieser Frau, was tue ich mit dieser Arbeit, was tue ich mit diesem Land. Bis vor kurzem hat er noch geglaubt, er müsse nur alles erledigen, was ihm auferlegt ist, und alles würde gut. Aber in der letzten Zeit scheint diese Gesetzmäßigkeit verloren gegangen zu sein, die, auch wenn sie nie bewiesen wurde, zumindest vernünftig klingt, nämlich dass falsche Schritte zur Katastrophe führen, richtige zur Rettung. Er spürt immer deutlicher, dass die verborgenen Mächte um ein Vielfaches stärker sind als die Vernunft, zu der sie erzogen wurden, denn wenn es eine Gelegenheit gegeben hat, wurde sie versäumt, aber vielleicht hat es Vernunft auch nie gegeben.
    Ich bin gefangen, möchte er der Frau in der roten Satinbluse erzählen, in jungen Jahren wurde ich gefangen und es ist mir nicht gelungen, mich zu befreien. Schon mit dreiundzwanzig war ich verheiratet, mit meiner ersten Freundin, bis heute verstehe ich nicht, was mich dazu gebracht hat. Viele Jahre lang hat mich die