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Fuck Buddies - Fremde und andere Liebhaber

Fuck Buddies - Fremde und andere Liebhaber

Titel: Fuck Buddies - Fremde und andere Liebhaber
Autoren: Kai Lindberg
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tatsächlich: Wie ein versprengter Olympionike erreichte ich rechtzeitig die Tür neben dem Fahrer und hinein. Sieg! Triumph!
    Scheiße … Ich schwitzte. Waren das Dampfwolken, die fröhlich aus meinem Hemd hervordunsten? Ich versuchte angestrengt, meine Atmung und mein flatterndes Herz wieder unter Kontrolle zu bekommen, während ich durch den Bus nach hinten zu meiner bevorzugten Sitzreihe schwankte. Lindberg, schimpfte ich mit mir selbst, es wird Zeit fürs Laufband! Schwer atmend ließ ich mich auf einen Sitz fallen, sah hoch – und in zwei Augen unter dichten Brauen. Augen, in die man sieht, um alles zu vergessen. Strahlende Augen.
    Mein Gegenüber senkte den Blick und las weiter in seinem Buch. Das hätte mir Gelegenheit geben sollen, mich auf meine Kurzatmigkeit zu konzentrieren. Stattdessen musterte ich ihn so unaufmerksam wie möglich. Oha!
    Die Augen gehörten einem Mann. Und nicht nur irgendeinem: dem Mann. Dem, der seit einigen Wochen morgens immer im Bus saß, wenn ich einstieg. Und zu dem ich immer einen Sicherheitsabstand von zwei Sitzreihen einhielt. Er war ziemlich groß. Dunkle, kurze Haare. Breite Schultern, volle Lippen. Genau das, was man morgens braucht, einen sexy „Trägt-Anzug-ist-aber-ein-echter-Kerl“-Kerl, dessen Anblick man genießt wie einen Espresso: schnell – und ohne später einen Gedanken daran zu verschwenden.
    Nun aber saß ich zum ersten Mal Knie an Knie mit der kernigsten Versuchung, seit es erotische Tagträume gibt. Wenn mein Leben ein Film wäre, dann hätte er jetzt sein Buch zur Seite legen und sich vorbeugen müssen; aus dem Nichts wäre ein gekühltes Leintuch erschienen, mit dem er mir zärtlich das Transpirat von der Stirn getupft hätte, während er mir etwas Bewunderndes sagt, etwas Zärtliches, etwas wie …
    „Is was?“
    Das würde er in meinem Film wohl kaum sagen. Dafür tat er es genau in diesem Moment. Und ich merkte erschrocken, dass ich ihn die ganze Zeit angestarrt hatte. Schwer atmend. Mit offenem Mund. Schuldig im Sinne der Anklage.
    Sein Blick war nicht so Lachfalten-umspielt, wie ich es mir gewünscht hätte – aber er schaute mich auch nicht an, als fühlte er sich belästigt. Los, Lindberg. Kontakt! Verwandle die Vorlage. Sag etwas Witziges!
    „Nö.“
    Na super. Mein Gegenüber runzelte kurz die Stirn. Dann vertiefte er sich wieder in seinem Buch.
    Nö. Nö? Wie kann man sich so dämlich anstellen?

2
     
    Wie war das, als ich Steffen kennenlernte? Hatte ich damals den richtigen Spruch parat? War ich spontaner, schlauer oder einfach nur … das böse, böse Wort … jünger? Manchmal fällt es mir schwer, mich zu erinnern. Natürlich kenne ich noch die Fakten, den Tag, die Situation, aber es fällt mir schwer, mich auch an die Worte zu erinnern, die ich benutzt habe. Und die Gefühle, die mich bewegten.
    Ich war nie gut in der Schule. Französische unregelmäßige Verben konnte ich mir nicht merken – vielleicht, weil ich es gar nicht wollte. Und selbst einfache mathematische Zusammenhänge stellten mich vor eine unlösbare Aufgabe. Sollte es aber so etwas wie die Schule des Lebens geben, die Vorbereitung auf das, was später einmal passieren könnte – in diesem Fach wäre ich Klassenbester gewesen. Für fast alles, was mir jemals widerfahren kann, habe ich damals komplette Verhaltensmuster entwickelt, feingeschliffen und mit schillernden Farben ausgestaltet: Ich in der Rolle des dramatisch Trauernden am Grab meines Vaters. Ich als erfolgreicher Überflieger, der trotz des Ruhmes bescheiden geblieben ist. Ich bei der Oscar-Verleihung. Neben Königin Silvia am Tag meiner Nobelpreis-Auszeichnung. Und immer wieder ich in der Rolle des Liebenden – mal sexy, schweißglänzend an einer breiten Brust ruhend. Mal voller Gefühl und Hingabe oder voll elegisch erduldetem Schmerz. Vielleicht tut jedes Kind so etwas? Löwen trainieren ihre Jagdinstinkte auch spielerisch, wenn sie Kleintiere sind. Ich verbrachte auch als Erwachsener viele Stunden damit. Ohne genau zu wissen, ob ich all diese feinziselierten Sätze jemals aussprechen würde, hoffte ich doch: Irgendwann ist es so weit. Someday my prince will come . Und der Rest auch.
    Kam Steffen in den Genuss einer solchen Galavorstellung? Wahrscheinlich habe ich sie eingesetzt, diese bedeutungsvollen Sätze, mit wohldosierter Aufrichtigkeit im von mir selbst ergriffenen Blick. Aber beschwören könnte ich es nicht. Weil diese wohlgehüteten Worte, die jahrelang meine treuen Begleiter waren, für mich
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