Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frühstück um sechs

Frühstück um sechs

Titel: Frühstück um sechs
Autoren: Mary Scott
Vom Netzwerk:
sollte mir nichts dabei denken, daß Mrs. Jolson so scheu sei. »Es tut ihr so gut, mal in Gesellschaft zu kommen, denn sie hat bösen Kummer gehabt. Ist aber auch ein nervöses kleines Ding.«
    Ich hoffte, durch Sherry ihre Nervosität zu besiegen, doch das gelang nicht. Allen schenkte ich tüchtig ein, wobei mich der gräßliche Wunsch, zu kichern, packte. Nun gehöre ich wirklich nicht zu den Kichergänsen, wie meine beiden jüngeren Schwestern, denn mehr als zwei von der Sorte sind für eine normale Familie nicht tragbar.
    Aber jetzt war ich so erschöpft, daß mir vieles, was mir am nächsten Tag gar nicht aufgefallen wäre, komisch vorkam. Der Anlaß war Mrs. Grant.
    Nach ihrem zweiten Glas — Pauls Urgroßvater hatte noble Ansichten über die Größe von Sherrygläsern gehabt — hörte sie mit ihrer gehässigen Tonart auf und gab sich seelenvoll. Sie schien auf dem besten Wege, uns ihre ganze Lebensgeschichte zu erzählen. In fieberhafter Eile setzte ich ihr nun Apfelwein vor, innerlich betend, daß ihr der Unterschied nicht auffallen möge. Unser Gespräch drehte sich jetzt um das Dasein im einsamen Hinterland. Dummerweise fragte ich sie, ob es ihr gefiele. Sie reckte sich ordentlich und sagte mit einem Ausdruck des Ekels: »Es ist mir zuwider, absolut zuwider! Hier stagniert der Mensch.« Das Wort stagniert brachte sie wundervoll heraus.
    Ich prallte förmlich zurück und pries mich glücklich, schon zum zehntenmal, daß keine von meinen Schwestern dabei war. Aber Mrs. Grant schob sich näher an mich heran, aus ihren vor Zorn ganz schmalen Lippen fuhr zischend der Satz: »Ich muß seelenverwandte Menschen um mich haben — Fröhlichkeit, Betrieb, Leben!«
    Jetzt war ich baff. Nie hätte ich gedacht, daß Mrs. Grant für Fröhlichkeit zu haben sei. Ich stammelte zusammenhanglose Worte und blickte hilfesuchend Mrs. Archer an, die jedoch, offenbar peinlich berührt, nur »T-t-t« machte.
    Mrs. Grant rückte mir bedrohlich auf den Leib. »Und was hätten Sie dazu zu sagen?« zischte sie.
    Ich hatte wenig zu sagen. Nachdem ich mir das Hirn um eine passende Antwort zermartert hatte, murmelte ich ein ganz ungenügendes »Du meine Güte!« und suchte nach einem Fluchtweg. Von der Tür her erklang ein Lachen, das nur wie echte und schon vertraute Musik ins Ohr tönte.
    »Fein gemacht, Susan. Das nenne ich Takt. Und noch viel zu milde ausgedrückt. Seid gegrüßt, alle miteinander. Bedaure, daß ich zu spät komme, aber unser junger Hund hatte mir einen Schuh entführt. Sam hat ihn dann erst in einem Winkel des Zwingers entdeckt, ein bißchen angekaut.«
    Sie hob einen ihrer schlanken Füße vor, um einen feuchten, zerknautschten Schuh zu zeigen. Eine große, schöne und sehr heitere Frau. Mrs. Grant erstarrte zur Salzsäule und schwieg sich aus. Mrs. Archer lächelte gemütlich. »So so, Mrs. Lee, gerade hatte ich zu Mrs. Russell gesagt, daß Ihnen stets was dazwischenkommt.«
    Wie weit dieser Ausspruch noch von der Wahrheit übertroffen wurde, sollte ich im kommenden Jahr erfahren.
     
     

3
     
    »Haben wir noch andere Nachbarn?« fragte ich Paul am nächsten Morgen.
    Wir aßen unser Frühstück, Tee mit Toast, das Paul zubereitet hatte, im Bett. Die Konzession machte er mir, weil Sonntag war und unsere Gäste erst um 3 Uhr früh aufgebrochen waren. Es war jetzt 7 Uhr 30. Paul hatte mir klipp und klar zu verstehen gegeben, daß er mir das nicht für jeden Sonntag versprechen könne.
    »Weiter entfernt noch viele«, beantwortete er meine Frage. »Es hat sich noch nicht sehr herumgesprochen, deshalb kamen nur die aus der Nähe — Gott sei Dank. Tiri ist ein ganz stattliches Dorf.«
    »Wo unsere Poststelle ist, meinst du? Erzähle mir doch von Tantchen, die den Laden und die Post hat.«
    »Was soll ich da groß sagen? Sehr nett ist sie. — Nein, noch eine Zigarette, das gibt’s nicht. Ich stehe jetzt auf. — Tantchen? Oh, interessante Type.«
    Nach diesen spärlichen Angaben war ich überzeugt, daß sie dick und gemütlich war und mit allen Leuten auf gutem Fuß stand. Daß sie am Telefon horchte und die Postkarten las, aber ein goldenes Herz hatte.
    Als ich mehr hören wollte, sagte er nur, ich würde sie ja bald selber sehen. Wir seien am Dienstag mit dem Postholen an der Reihe, da wollte er mich mitnehmen, weil es das erste Mal sei. Woraus ich schloß, daß die Postbesorgung fortan zu meinen Pflichten gehören sollte. Innerlich zuckte ich ein bißchen zurück beim Gedanken an das alte Auto und die hiesigen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher