Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frühstück bei Tiffany

Frühstück bei Tiffany

Titel: Frühstück bei Tiffany
Autoren: Truman Capote
Vom Netzwerk:
Mississippi, nahezu neunhundert Kilometer. Das war ein unbeschwerter Spaß im Vergleich zu dem Weg bis zu Joe Bells Wirtschaft. Die Gitarre füllte sich mit Regen. Regen weichte die Papiertüten auf, die Tüten platzten und Parfüm ergoß sich auf das Pflaster, Perlen rollten in den Rinnstein - während der Wind mich stieß und der Kater kratzte, der Kater kreischte - doch schlimmer noch: ich hatte Angst, war ein Feigling gleich Jose - diese tobenden Straßen schienen von unsichtbar Anwesenden zu wimmeln, die darauf warteten, mich zu schnappen, einzusperren, weil ich einer Geächteten half.
    Die Geächtete sagte- «Reichlich spät, mein Junge. Haben Sie den Kognak?»
    Und der Kater sprang befreit empor und nestelte sich auf ihrer Schulter zurecht - sein Schwanz ging hin und her wie ein Taktstock bei feurigbesessener Musik. Auch Holly schien von Melodien besessen, irgendeinem frischen bon voyage-umtata. Während sie den Kognak aufmachte, sagte sie: «Das sollte ein Stück in meiner Aussteuertruhe sein.
    85
    Es war so gedacht, daß wir an jedem Jahrestag einen heben würden. Gott sei Dank habe ich die Truhe nie gekauft. Mr. Bell, mein Herr, drei Gläser.»
    «Sie werden nur zwei brauchen», erklärte er ihr. «Ich trinke nicht auf Ihre Narrheit.»
    je mehr sie ihn zu verführen suchte («Oh, Mr. Bell. Die Dame entschwindet nicht alle Tage. Wollen Sie nicht auf sie anstoßen?»), desto barscher wurde er.- «Ich will nichts damit zu tun haben. Wenn Sie zum Teufel gehen wollen, dann auf eigene Verantwortung. Ohne weitere Hilfe von mir.» Eine unrichtige Feststellung - weil Sekunden, nachdem er sie von sich gegeben, ein geschlossener Wagen mit Chauffeur vor der Wirtschaft vorfuhr, und Holly, die ihn zuerst bemerkte, ihren Kognak niedersetzte und die Brauen hochzog, als erwarte sie, den Distrikt Attorney persönlich aussteigen zu sehen. So auch ich. Und als ich Joe Bell rot werden sah, mußte ich denken: bei Gott, er hat doch die Polizei gerufen. Und dann verkündete er mit feuerroten Ohren: «Das ist nichts weiter. Ein Carey-Cadillac. Habe ihn gemietet. Soll Sie zum Flughafen bringen.»
    Er drehte uns den Rücken, um an einem seiner Blumensträuße herumzuwirtschaften. Holly sagte: «Lieber, rührender Mr. Bell. Schauen Sie mich an, mein Herr.»
    Er wollte nicht. Er zerrte die Blumen aus der Vase und warf sie ihr zu, sie verfehlten ihr Ziel, landeten verstreut auf dem Boden. «Adieu», sagte er und lief auf «Für Herren» zu, als müsse er sich übergeben. Wir hörten das Schloß einschnappen.
    Der Chauffeur von Careys Autovermietung war ein welterfahrener Mann, nahm unser schlampiges Gepäck äußerst höflich entgegen und behielt sein steinernes Gesicht, als Holly, während die Limousine durch nachlassenden Regen den Außenbezirken der Stadt zufuhr, ihre Sachen auszog, das Reitkostüm, das auszuwechseln sie noch keinerlei Gelegenheit gehabt hatte, und sich in ihr schmales schwarzes Kleid mühte. Wir sprachen nicht - sprechen hätte auch nur zu einem Streit führen können, und Holly schien zudem allzu nachdenklich für eine Unterhaltung. Sie summte vor sich hin, kippte Kognak und beugte sich ständig vor, um aus dem Fenster zu spähen, als forsche sie nach einer Adresse - oder, schloß ich, nehme letzte Eindrücke eines Schauplatzes mit, an den sie sich zu erinnern wünschte.
    86
    Es war keins von beidem. Sondern dies: «Halten Sie hier», befahl sie dem Fahrer, und wir stoppten an der Bordkante einer Straße in Spanisch-Harlem. Eine wüste, eine grelle, eine finstere Gegend, mit Filmstarplakaten und Madonnen bekränzt. Bürgersteig-Abfall aus Obstschalen und verrotteten Zeitungen wurde vom Wind herumgewirbelt, denn der Wind brauste noch daher, wenn auch der Regen sich beruhigt hatte und hie und da Blau am Himmel durchbrach.
    Holly stieg aus dem Wagen, sie nahm den Kater mit. Ihn eingewiegt im Arm haltend, kraulte sie seinen Kopf und fragte: «Was meinst du? Dies sollte genau die richtige Stelle sein für einen Kerl wie dich. Müllkisten. Ratten in rauhen Mengen. Reichlich genug Katergenossen zum Herumstreunen. Also zieh los», sagte sie und ließ ihn fallen, und als er sich nicht wegrührte, sondern seine Raufboldvisage hob und sie aus gelben Piratenaugen fragend anschaute, stampfte sie mit dem Fuß: «Scher dich weg, hab' ich gesagt!» Er rieb sich an ihrem Bein. «Hau ab, du Scheißvieh!» schrie sie, sprang in den Wagen, haute die Tür hinter sich zu und: « Los! » befahl sie dem Fahrer. « Los. Los! »
    Ich war
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher