Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)

Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)

Titel: Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
Autoren: Nicole Stoye
Vom Netzwerk:
hat?“
    „Wo hast du sie gesehen?“, fragte Dewanye seine Schwester entgeistert, ohne auf die Frage seiner Frau einzugehen.
    „In den Erinnerungen unseres Vaters“, entgegnete sie lächelnd. „In dem kurzen Moment unserer letzten Begegnung war sie das liebevollste und stärkste, das seinem Herzen entsprungen war.“
    Was sie allerdings nicht mehr ganz so lustig fand, war Smitts schockierter Gesichtsausdruck, als er Arrow mit dem Pinsel in der Hand erblickte. „Eine Reise ins Jenseits und sie schnappt gleich über! Der tattrige, alte Griesgram hat dir doch damals schon bescheinigt, dass du zum Malen kaum Talent hast. Das Einzige, was du noch schlechter kannst, ist kochen. Tu uns allen den Gefallen und lass die Finger von den Farben. Das Fräulein, das Keylam da auf die Wand gezaubert hat, sieht hübsch aus, wie sie ist!“
    „Aber Keylam hat keinen einzigen Strich getan“, gab Neve belehrend zurück. „Das war von Anfang bis Ende Arrows Werk.“
    Smitt schluckte, und Bon kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.
    „Himmel, Arsch und Zwirn“, stieß das Zwergenoberhaupt ungehalten aus. „Erst lobt sie Harold in den höchsten Tönen, dann grinst sie nur noch ununterbrochen, und jetzt ist aus ihr über Nacht eine wahre Künstlerin geworden. Bist du sicher, dass du die richtige Frau aus der Unterwelt zurückgebracht hast?“, wandte er sich am Keylam.
    „Du ahnst gar nicht, wie froh ich bin, dass du mir diese Frage stellst“, gab Keylam gespielt erleichtert zurück. „Ich war auch schon am zweifeln...“
    „Sie ist die Richtige“, entgegnete Dewayne gerührt. „Zwar ist sie nicht mehr diejenige, die damals das Tor zur Unterwelt durchschritten hat, doch sie ist die Schwester, mit der ich einst zusammen aufgewachsen bin.“

    In einem ruhigen Moment setzte Arrow sich in das Turmzimmer und verfasste einen kurzen Brief an Shoes und seine Frau, der mit den Schmotzbüchern zusammen auf die Reise gehen sollte. Ihm fügte sie die Phönixfeder hinzu, die sie unter der Glasglocke bei den Sieben Todsünden gefunden hatte. Dieser Feder hatte sie es zu verdanken, dass Keylam sie am Ort des Vergessens gefunden hatte, denn sie hatte dieses ganz persönliche Andenken an ihn und Urban die ganze Zeit über bei sich getragen. Somit war es für Keylam ein Leichtes gewesen, sie ausfindig zu machen.
    Shoes Sammlung wäre damit vollständig, doch vor allem war die Feder bei ihm sicher. Arrow vertraute dem Gnom und seiner Frau. Sollte Keylam jemals etwas Ähnliches zustoßen, so würde sie ihn anhand dieses Nachlasses schneller ausfindig machen können. Natürlich wäre es eine weite Reise bis zur Weltenbibliothek, doch dort würde sie niemand vermuten. Sehr viel fataler wäre es, sie dort aufzubewahren, wo ein jeder sie sofort mit ihrem Besitzer in Zusammenhang bringen würde. Im Dryadenwald wäre die Wahrscheinlichkeit weitaus geringer.
    Als Arrow das Turmzimmer wieder verlassen wollte und ihr Blick dabei auf ihre Seite des Bettes fiel, stellte sie überrascht fest, dass dort ein Brief für sie lag. Dabei war sie ganz sicher, dass er gerade eben noch nicht da gewesen war.
    Neugierig entfaltete sie das Papier. Weder ein Name noch sonstige persönliche Worte deuteten auf den Verfasser hin. Trotzdem stockte ihr der Atem, denn das Gedicht, das dort geschrieben stand, ließ keinen Zweifel an seinem Absender.

    Die Nacht und der Morgen

    Schleichend zieht er seine Bahnen
    und folget immerdar der schönen Nacht.
    Ein Mensch allein kann nur erahnen,
    wie lang der Mond ihres Angesichts wacht.

    Sanft streichelt er den Tau vom Grün
    und kostet leidend seiner Liebsten Tränen,
    zerbricht beinahe unter Sehnsuchtsglühen,
    still lauscht die Welt nach seinem Sehnen.

    Und bin auch ich wie die rastlose Nacht,
    die ständig wandelt auf den Spuren des Abends.
    Nehme hin, wie traurig es ihn macht
    den Blick zurück nicht wagend.

    So reisen wir auf ewig allein,
    auf Wegen, die niemals zum Ziel uns bringen.
    Haben nicht den Mut uns zu befrei'n,
    werden stets mit uns selbst nur ringen.

    Doch der Tag mag einst kommen,
    da ich verlasse die einsamen Pfade.
    Raste, bis ich neue Kraft gewonnen
    und mich fortan in des Morgens Dämmerung bade.

    Arrow hielt inne. William hatte über die Nacht und den Morgen gesprochen, kurz bevor er verschwunden war.
    „Einen Moment lang hat die schöne Nacht ihren Pfad auf den Spuren des Abends verlassen und sich dem Morgen zugewandt. Hätte es in meiner Macht gelegen, so wäre ich dir auf ewig gefolgt.“
    Arrow
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher