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Fruehling

Fruehling

Titel: Fruehling
Autoren: Rainer Maria Rilke
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vermochten, mein Atem
reicht für die Rühmung nicht aus. So haben wir dennoch
nicht die Räume versäumt, diese gewährenden, diese
unseren Räume. (Was müssen sie fürchterlich groß sein,
da sie Jahrtausende nicht unseres Fühlns überfülln.)
Aber ein Turm war groß, nicht wahr? O Engel, er war es, –
groß, auch noch neben dir? Chartres war groß –, und Musik
reichte noch weiter hinan und überstieg uns. Doch selbst nur
eine Liebende –, oh, allein am nächtlichen Fenster … .
reichte sie dir nicht ans Knie –? Glaub nicht , daß ich werbe.
Engel, und würb ich dich auch! Du kommst nicht. Denn mein
Anruf ist immer voll Hinweg; wider so starke
Strömung kannst du nicht schreiten. Wie ein gestreckter
Arm ist mein Rufen. Und seine zum Greifen
oben offene Hand bleibt vor dir
offen, wie Abwehr und Warnung,
Unfaßlicher, weitauf.
    Werke I , 709-713
    J etzt gehn die Lüfte manchesmal als trügen
sie unsichtbar ein Schweres welches schwankt.
Wir aber müssen uns mit dem begnügen
was sichtbar ist. So sehr es uns verlangt
    hinauszugreifen über Tag und Dasein
in jenes Wehen voller Wiederkehr.
Wie kann ein Fernes so unendlich nah sein
und doch nicht näher kommen? Nicht bis her?
    Das war schon einmal so. Nur damals war
es nicht ein zögerndes im Wind gelöstes
Vorfrühlingsglück. Vielleicht kann Allergrößtes
nicht näher bei uns sein, so wächst das Jahr.
    So wächst die Seele, wenn die Jahreszeit
der Seele steigt. Das alles sind nicht wir.
Von Fernem hingerissen sind wir hier
und auferzogen und zerstört von weit.
    Werke II , 340
    K ennen Sie dies auch so besonders: ein gegen Abend eingedeckter Himmel, Wiesengrün, blühende Bäume, halb davor, halb in grauer lautloser Luft? Für mich gehörts zum Unvergeßlichsten: blühende Bäume ohne Sonne bei nahendem Regen, von dem schon einzelne Vogelstimmen vorhersagen, wie er sein wird. Ach wenn mirs doch noch einmal so im Innern würde, wie's dann in der Natur ist, nicht einmal hell, aber still und zukünftig.
    Taxis I (6. 4. 1912), 136
    D aß ich doch fühlte, in meinen hundertunddreißig Müdigkeiten sei auch etwas vom Einfluß des Frühlings; aber sie sind, wie ich sie durchmache, fast alle von einer Nichts-als-Lästigkeit, so daß ich sie ehrlicher auf Rechnung der Erkältung setzen mag. Ich weiß, wie ein solcher Zustand mir von körperlicher Erschwernis sein kann in den verschiedensten Abwandlungen, aber ich kenne auch zur Genüge die merkwürdigen Öden, die er ins Gemüth einreißt und wundere mich über keine Trübnis, die von dort herüberdringt.
    Dienstag überließ ich mich wieder ganz der Sonne, Mittwoch schrieb ich Briefe, darunter sieben Seiten an Anita, die mit einer ganzen Artillerie von großkalibrigen Fragen gegen mir über aufgefahren war: »Glauben Sie an Gott?« »Glauben Sie an ein Leben nach dem Tode?« –, ach, Liebe, ich habe nicht mit augustinischen Bekenntnissen geantwortet, sondern ganz abwartend; immer sonderbarer muthet mich diese Ungeduld des Geistes an, die alles überspringt, um so fragen zu können. Dieses An-den-Rand-Laufen, wie naiv ist es, gerade als dächte man, vom nächsten Bergrand aus in den Weltraum zu schauen. Wo doch unsere Blicke so beschäftigt worden sind! Wo doch Gott nichts thut, als uns immerfort aufhalten.
    Unten, an der allgemein-verständlichen Pappel, der Pappel für Anfänger, blüht etwas (ein Pflaumen-? ein Kirschenbaum?) und weiterhin am Fahrweg wieder, und drüber im Raum wiederholt ein Vogel einen doppelseitigen Flötenton, bald drei bald fünfmal hintereinander, das verspricht Regen nach irgendwelchen Erfahrungen, aber schon weiß man, daß es Frühlingsregen verspricht; die Nähe ist grau, die Weite liegt in einem ausgebreiteten Licht, entfernte Steinbrüche haben eine gesichthafte Helligkeit –
    –: das beschäftige uns, das müßte man auf solche Fragen
antworten, aufschauen und sagen, was man sieht: ist nicht alles darin, – mehr als in unseren Auslegungen und Erdenkungen?
    Wunderly I (26. 3. 1920), 196 f.
    W enn ich sage: Gott, so ist das eine große, nie erlernte Überzeugung in mir. Die ganze Kreatur, kommt mir vor, sagt dieses Wort, ohne Überlegung, wenn auch oft aus tiefer Nachdenklichkeit. Wenn dieser Christus uns dazu geholfen hat, es mit hellerer Stimme, voller, gültiger zu sagen, um so besser, aber laßt ihn doch endlich aus dem Spiel. Zwingt uns nicht immer zu dem Rückfall in die Mühe und Trübsal, die es ihn gekostet hat, uns, wie ihr sagt, zu »erlösen«. Laßt uns
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