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Frostengel

Frostengel

Titel: Frostengel
Autoren: Tamina Berger
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Schüttelfrost wurde schlimmer, meine Zähne machten jedem Trommelwirbel Konkurrenz. So fest ich konnte, wickelte ich mich in die Decke. Aspirin hatte schon vorhin geholfen. Aber jetzt aufzustehen, um mir noch eine Tablette zu holen, schien mir unmöglich. Doch es nützte nichts. In dem Zustand würde ich bestimmt nicht einschlafen, also quälte ich mich hoch. Wie schön war es gewesen, als meine Mutter mir nächtelang die Hand gehalten und Essigwickel gegen das Fieber gemacht hatte. Ich habe diese Wickel gehasst. Meine Füße waren danach verschrumpelt und das ganze Zimmer hatte nach Essig gerochen, aber nun wünschte ich mir diese Zeit herbei. Ich hätte alles ohne Widerspruch erduldet, selbst die hutzeligen Füße, wenn sie nur nach mir gesehen hätte.
    Der Weg ins Bad kam mir unendlich lang vor. Ich musste mich an der Wand abstützen, weil die Beine so stark zitterten. In der Verpackung waren noch zwei Tabletten. Eine davon drückte ich aus der Hülle und steckte sie in den Mund. Mit der hohlen Hand schöpfte ich Wasser aus der Leitung, schluckte das Aspirin hinunter und hatte das Gefühl, es würde quer im Hals stecken. Ich füllte Wasser in den Zahnputzbecher, trank, um das unangenehme Kratzen im Hals loszuwerden, und nahm einen vollen Becher und das letzte Aspirin mit ins Zimmer.
    Es kam mir wie eine kleine Ewigkeit vor, bis die Tablette wirkte und der Schüttelfrost nachließ. Vor Erschöpfung fielen meine Augen zu.

Kapitel 2
    Als ich am nächsten Morgen aus dem Bett stieg, drehte sich alles. Mir ging es noch nicht wirklich gut, aber deutlich besser als den Abend zuvor. Vor allem war mir schlecht. Ich biss die Zähne zusammen. Bloß nicht umkippen, dachte ich, beweg dich, dann wird es besser.
    Das Schwindelgefühl ließ nach. Mein Magen schmerzte vor Hunger. Klar, dass mir übel war. Seit fast zwei Tagen hatte ich nichts gegessen. Knäckebrot. Das würde reichen müssen. Vor meinem inneren Auge sah ich frische Brötchen mit Butter und Marmelade. Fast konnte ich das Gebäck riechen und das Wasser lief mir im Mund zusammen.
    Ich ging in die Küche, um Teewasser aufzusetzen. In der Tür blieb ich verdattert stehen. Hatte ich mir das Chaos gestern bloß eingebildet? Corinna saß am Tisch und grinste, als sie mich sah. Die Küche war aufgeräumt und sauber. Vor meiner Schwester stand der Brotkorb, fünf Brötchen lagen darin. Sie hatte für drei Personen gedeckt. Auf der Herdplatte kochten in einem Topf drei Eier, aus dem Wasserkessel dampfte es.
    »Ich glaub, ich muss noch mal ins Bett. Ich träume.« Erleichtert stellte ich fest, dass meine Stimme fast normal klang.
    Corinnas Grinsen wurde breiter. »Setz dich. Ich dachte, ich muss dich ein wenig aufpäppeln.«
    Ich ging zu meiner Schwester, umarmte sie von hinten und drückte ihr einen Kuss aufs Haar. »Danke! Du bist die beste kleine Schwester, die ich mir wünschen kann.«
    Corinna lehnte sich an mich und so blieben wir für eine Weile, bis sie ausrief: »Shit! Die Eier, sie werden hart!« Sie sprang auf und nahm den Topf vom Herd.
    Ich setzte mich und schaute ihr zu. Zuneigung und Stolz durchfluteten mich. Meine Schwester konnte ein Biest sein. Sie war frühreif, dickköpfig und oft unzuverlässig. Aber in Momenten wie diesem liebte ich sie.
    Die Eier waren tatsächlich schon hart, aber das machte nichts. Wir frühstückten ausgiebig. Danach räumte Corinna den ungebrauchten dritten Teller wortlos in den Schrank. Sie bemühte sich, ihre Enttäuschung nicht zu zeigen, aber ich wusste, dass es ihr genauso ging wie mir.
    Nun fühlte ich mich kräftig genug, um mich um die Wäsche zu kümmern. Corinna ging in ihr Zimmer Musik hören. Bald darauf wummerte der Bass durch die geschlossene Tür. Falls Mutter davon wach werden sollte, pfft, sollte sie doch! Es war schon Ewigkeiten her, dass sie mit uns gefrühstückt hatte. Selbst am Muttertag war sie mit Kopfschmerzen bis spät am Nachmittag im Bett geblieben. Ich wusste genau, woher ihre Kopfschmerzen stammten.
    Der Wäschekorb quoll über. Erst die Jeans, beim zweiten Waschgang die Kochwäsche. Ich nahm die Hosen, durchsuchte sie, bevor ich sie in die Trommel stopfte. Mutter vergaß häufig Geld in ihren Taschen. Auf diese Weise hatte ich schon einiges zusammengekratzt. Zum Glück, sonst hätte ich manchmal nicht gewusst, wovon ich einkaufen gehen sollte.
    In einer Hosentasche von Corinna fand ich zwei Minitampons und einen zerfledderten Zettel mit einer Telefonnummer drauf. In zwei Jeans meiner Mutter war etwas
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