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Froschkuss (German Edition)

Froschkuss (German Edition)

Titel: Froschkuss (German Edition)
Autoren: Jo Berlin
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Außerdem hatte ich das beklemmende Gefühl, ihm etwas schuldig zu sein. Wir hatten noch eine Rechnung offen, darauf hatte ich ihm meine Hand gegeben. Stattdessen atmete ich tief ein und zog mein Handtuch etwas hoch, um im selben Moment einige Zentimeter von ihm wegzurücken. Er blickte mich erstaunt an, lächelte schief und schob dann sein Hinterteil direkt an meinen Oberschenkel. In diesem Moment traf mich die Erkenntnis wie ein elektrischer Schlag: Dies war erst der Anfang!
     
    Ich blickte nervös auf die Uhr: Noch zwanzig Minuten, dann begann unsere Redaktionskonferenz. Ich war sehr gespannt darauf, wie Lars meinen Artikel über das Ostsee-Spa vor meinen Kollegen beurteilen würde. Ich hatte mir unendlich viel Mühe gegeben und buchstäblich jedes Wort auf die Goldwaage gelegt. Nach unserem Saunagang hatte ich einige Gäste interviewt und auch noch mit dem Geschäftsführer und den Mitarbeitern gesprochen. In dieser Zeit hatte Karla mit einer dicken Schicht Feuchtigkeitsmaske im Gesicht im Ruheraum relaxed. Zuhause hatte ich mich gleich ans Werk gemacht und fast die ganze Nacht durchgearbeitet. Nun stand ich allerdings in der Warteschlange an der Kasse, vor mir eine Mutter, die einen bis zum Rand gefüllten Einkaufswagen auf das Förderband entleerte: unter anderem drei Pakete Windeln, zehn Gläschen Babynahrung und bestimmt zehn Packungen Kleenex-Tücher. Wofür braucht man so viele Reinigungstücher?, dachte ich und blickte erneut auf meine Uhr. Nun wurde es allmählich etwas knapp, aber ich brauchte dringend Tampons und nun war ich ja bald an der Reihe. Endlich hatte die mollige Kassiererin mit ihren langen, mit Glitzerbärchen beklebten Kunstnägeln die letzte Packung Kleenex-Tücher eingescannt: „48,90“, sagte sie und die Mutter, deren Baby in einer Trageschale vorn auf dem Einkaufwagen schlummerte, kramte ihr Portemonnaie aus einer voluminösen Umhängetasche in Kuhfelloptik. Sie hielt der Kassiererin einen Wust von Gutscheinen entgegen, die diese seufzend einzuscannen begann. Es war zum Mäusemelken! Ich hatte immer das Pech, genau in der Warteschleife zu stehen, in der es besonders langsam voranging, so kam mir das jedenfalls immer vor. Drei Gutscheine gingen reibungslos durch, aber beim Vierten passierte nichts. Immer wieder glättete die Kassiererin den Gutschein, zog ihn durch, ohne Erfolg. Schließlich musste sie die gefühlte hundertstellige Nummer mit der Hand eintippen, dann endlich war der Rabatt errechnet, und die Mutter bezahlte ihre 46,90 Euro. Ich beglich den Preis für meine Packung Tampons, schwang mich auf mein Rad und gab Gas. Als ich vor der Tür zum Konferenzraum stand, atmete ich erst einmal tief durch und strich mir mit der Hand durch meine zerzausten Locken. Ich war ungefähr vier Minuten zu spät, drückte die Türklinke und hörte, wie Lars seinen Satz beendete: „... wird also Celine unsere neue Serie ‚Blond, jung probiert’ realisieren!“
    „Was soll das denn?“, krächzte ich entsetzt und Lars, Sophie, Dominic und Celine blickten überrascht in meine Richtung. Einen Moment war es ungemütlich still. „Schön, dass du auch mal kommst“, sagte Lars kühl und fuhr fort: „Celine wird jeden Monat eine Reportage über drei bis vielleicht auch vier Seiten schreiben, zu Themen, die wir gemeinsam bestimmen werden.“ Ich ließ mich geräuschlos auf meinen Stuhl sinken und versuchte, mir nichts anmerken zu lassen. Mein Herz klopfte wie wild, und am liebsten hätte ich laut geschrien. Ich spürte aus den Augenwinkeln, wie Dominic mich beobachtete. Er mochte mich und hatte ein gutes Gespür für Ungerechtigkeiten, aber was nützte mir das jetzt? Sophie hatte ihren Blick betreten gesenkt, kritzelte etwas in ihren Schreibblock und versteckte sich hinter einer kringeligen roten Haarsträhne. Nur Celine scheute sich nicht, mich selbstgefällig zu mustern, bis sie sich schließlich wieder Lars zuwandte. Ich war innerlich total aufgewühlt, versuchte aber, meine Gefühle zu unterdrücken. Reiß dich zusammen, Sonia!, forderte ich mich selbst auf, irgendwann wirst du es denen heimzahlen. Celine beugte sich nach vorne, wobei der Träger ihres roten Tops etwas von der Schulter rutschte. „Ich werde an einem Casting für ein Werbespot-Shooting teilnehmen, das habe ich ja schon öfters gemacht“, erzählte sie und reckte dabei ihr perfekt geformtes schmales Näschen in die Luft, „ich denke, das wird eine schöne Geschichte, was meinst du?“ Sie lächelte Lars an, dessen Blick sich
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