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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden
Autoren: Stanislaw Lem
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denen, an die ich mich in N. Y. gewandt habe, muß einer von der L. A. gewesen sein. Er hat weitergegeben, daß ich herausgefunden habe, wie man sich mit ihr verständigen kann. Da ich augenblicklich verduftet bin, konnten sie es nicht selber an ihr ausprobieren. Der Sohn des Burschen, der mit Ihrem Papa im Sandkasten gespielt hat, sollte sich, sofern der anonyme Brief nicht lügt, an sie heranmachen. Vielleicht hätte er ihr alles entlockt, was sie weiß, ohne daß ich Verdacht geschöpft hätte. Ich hätte nicht einmal gewußt, was er von ihr erfahren hat. Hätten sie sich aber direkt und offiziell an mich gewandt, so hätte ich eine solche Befragung verweigern können und sie wären in die Klemme geraten. Sie ist nämlich keine juristische Person, und nur ich kann einwilligen, daß sich jemand mit ihr unterhält. Bitte benutzen Sie Partizipien, Pronomen und Verben und befleißigen Sie sich einer möglichst komplizierten Syntax.«
    Der Professor riß das von mir beschriebene Blatt aus dem Notizbuch, steckte es in die Tasche und schrieb zurück:
    »Warum willst du eigentlich nicht, daß sie erfährt, was momentan vor sich geht?«
    »Für alle Fälle. Durch das veranlaßt, was innen auf dem Umschlag stand. Das kann nicht von der L. A. stammen, denn die kann nicht interessiert sein, mich vor sich selber zu warnen. Das hat ein anderer geschrieben.«
    Diesmal war Tarantogas Antwort kurz und bündig.
    »Wer?«
    »Weiß ich nicht. Vielerseits ist man neugierig, was dort los ist, wo ich gewesen bin und den Unfall hatte. Die L. A. hat starke Konkurrenz. Ich finde, wir sollten uns schleunigst aus der Gesellschaft der Känguruhs verabschieden. Hauen wir ab. Den Imperativ versteht sie nicht.«
    Tarantoga zog sämtliche Zettel aus der Tasche, knüllte sie mit dem Umschlag und dem Brief zusammen, setzte die Papierkugel mit einem Streichholz in Brand, warf sie in den Kamin und sah zu, wie sie sich in Asche verwandelte.
    »Ich gehe zum Reisebüro«, sagte er. »Und was machst du jetzt?«
    »Ich werde mich rasieren. Der Bart kitzelt scheußlich und ist inzwischen offenkundigst entbehrlich. Je schneller, desto besser, Professor! Von mir aus kann es ein Nachtflug sein. Nur sagen Sie mir nicht, wohin.«
    Tarantoga verließ wortlos das Zimmer.
    Ich rasierte mich im Bad und schnitt vor dem Spiegel Gesichter. Das linke Auge zuckte nicht einmal, ich fand mich ganz normal und machte mich ans Einpacken. Dabei richtete ich meine Aufmerksamkeit immer mal auf meine linken Gliedmaßen, die sich jedoch normal verhielten. Erst ganz zuletzt, als der Koffer voll war und ich noch die Krawatten darauflegen wollte, warf die linke Hand eine davon auf den Fußboden. Sie war grün, mit braunen Punkten, ich mochte sie, obwohl sie schon reichlich alt war. Sollte die Linke etwas dagegen haben? Ich hob den Schlips mit der Rechten auf und reichte ihn der Linken, die ich zu zwingen suchte, ihn in den Koffer zu legen. Es geschah das bereits mehrfach Beobachtete: Der Arm gehorchte mir, die Finger aber öffneten sich und ließen die Krawatte erneut auf den Teppich fallen.
    »Das ist dir vielleicht ein Ding«, seufzte ich, stopfte den Schlips mit der Rechten in den Koffer und schloß ihn. Die Tür flog auf, Tarantoga winkte mir wortlos mit zwei Flugtickets zu und ging in sein Zimmer, um ebenfalls einzupacken.
    Ich dachte darüber nach, ob ich Ursache habe, meine rechte Hemisphäre zu fürchten. Ich konnte darüber ganz gelassen nachdenken, denn sie bekam es nur mit, wenn ich es ihr über die Hand mitteilte. Der Mensch ist so eingerichtet, daß er selber nicht weiß, was er weiß. Der Inhalt eines Buches läßt sich aus dem Inhaltsverzeichnis erfahren, aber im Kopfe gibt es dergleichen nicht. Der Kopf ist wie ein vollgestopfter Sack, und wenn man wissen will, was so darin steckt, muß man hineingreifen und eines nach dem anderen herausholen. Die Hand aber, die das tut, ist im Falle des Kopfes das Gedächtnis: Während Tarantoga die Hotelrechnung bezahlte, während der Fahrt durch die Dämmerung und in Erwartung des Abflugs suchte ich mir alles in Erinnerung zu rufen, was seit meiner Rückkehr vom KALB vorgefallen war. Ich wollte herausfinden, was ich davon behalten hatte.
    Die Erde hatte ich völlig verändert vorgefunden. Die allgemeine Abrüstung war Tatsache geworden. Nicht einmal die Supermächte waren imstande gewesen, einen weiteren Rüstungswettlauf zu finanzieren. Immer intelligentere Waffensysteme wurden immer kostspieliger. Dadurch soll das Genfer
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