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Fressen ihn die Raben - Alpen Krimi

Titel: Fressen ihn die Raben - Alpen Krimi
Autoren: Prolibris Verlag Rolf Wagner
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selbst gemerkt, wie vergiftet ich schon war. Das sollte dir nicht passieren. Also«, und Hubert zog sich die Bettdecke bis zum Kopf hoch, »sei dankbar. Und schließ die Tür leise, mein Schädel dröhnt.«

    Als Elke vor dem Koglerhaus stand, war sie der einzige Gast, der noch nicht in die Berge gewichen war. Sie hörte nur das Plätschern des Wassers im Holztrog, die Stille war erhebend. Genau in dem Moment wurde sie aufgeschreckt. Über ihr, aus einem der Zimmer des Personaltraktes, drangen plötzlich schrille Töne nach draußen. Dieser Hausteil lag, wenn man im Haus die Treppe betrat, linker Hand und war als privat gekennzeichnet. Wer genau dort wohnte, wusste Elke nicht.
    Die Geräusche aber klangen merkwürdig exotisch. Schräges Quäken wie aus einer zerdrückten Trompete überlagerte ein rasselndes Trommeln und Scheppern. Der Rhythmus steigerte sich zu einem immer schnelleren Dröhnen, in das am Ende die kehlige Bassstimme eines Mannes fiel. Die Sprache war unverständlich. Irgendwie kamen Elke diese Töne bekannt vor, sie konnte sie nur nicht zuordnen und empfand das Ganze auch eher als Ruhestörung. Vielleicht, dachte sie, meint eine der Küchenhilfen, jetzt sei man allein im Haus und könne auf den Putz hauen. Aber ausgerechnet mit einer indianischen Musik, noch dazu von einer CD?, fragte sie sich. Einer der Sätze, die in Köln als eine Art geistiges Grundgesetz gehandelt wurden, kam ihr in den Sinn.
    »Jeder Jeck ist anders«, murmelte sie und zog die Riemen ihres Rucksackes fester, bevor sie den Weg hinter das Haus einschlug. Von dort war sie gestern gekommen und hatte den Hinweis auf den Viehkogel gesehen. Zweieinhalb Stunden sagte der Alpenverein voraus. Na, für mich werden es dann wohl eher dreieinhalb werden, schmunzelte Elke.
    Der Weg schlängelte sich steil hinauf durch Wiesen aus Alpengras, über denen der muffige Geruch der Murmeltiere hing. Noch waren die Tiere nicht zu sehen, ihnen fehlte die Sonne. Unten an einer Felswand blieb sie stehen und holte Luft. Sie hatte den Fuß des Viehkogels erreicht und machte sich nach wenigen, tiefen Atemzügen auf, den Berg rechtsherum zu umlaufen. So war der Weg zum Gipfel ausgeschildert. Ein Blick schwenkte über ein kleines, mit Lärchen bewachsenes Tal, an dessen gegenüberlie gender Seite sich eine Zickzack-Route steil in die Höhe schraubte. Winzige bunte Flecken zeigten Wanderer auf dem Weg zum Ingol ­städter-Haus.
    Elke folgte weiter ihrem felsigen Pfad, der leicht ansteigend den Kegelberg umrundete. Dabei gelangte sie in eine lang gezogene, grasbewachsene Senke, die auf der Rückseite des Viehkogels lag. An einer zugerammelten Holzhütte, zu deren Füßen sich ein Rinnsal in die Wiesen ergoss und den Bereich um die Hütte versumpfte, machte sie Rast. Während sie in ein Butterbrot biss und einen Becher von dem Kaffee trank, den ihr die Wirtin in die Thermoskanne gefüllt hatte – gell, ich berechne dir nur den Tarif für den Alpenverein weil’s mir sympathisch bist – beobachtete sie Kolkraben, die über ihr kreisten. Wie gut, dass sie noch einen Brotlaib in Berchtesgaden gekauft hatte, dachte sie. Wenigstens diese Stulle hatte Substanz. Die Sonne war inzwischen erschienen, und hin und wieder zog ein lauter Murmeltierpfiff durch die Felslandschaft. Elke brach die Pause ab und ging weiter.
    Langsam näherte sie sich dem Gipfelkreuz über ihr, wobei der Weg so steil wurde, dass sie auf allen vieren klettern musste. Die ganze Zeit hindurch war sie allein, ein Umstand, den sie durchaus genoss.
    Endlich am Kreuz angekommen, längst war die Mittagszeit überschritten, setzte Elke sich ins Gras. Hier oben wehte ein flotter Wind, der die Halme beständig nur in eine Richtung anblies. Zu ihrer Freude war ihr auf dem Weg tatsächlich Vieh entgegengekommen, wie man beim Namen Viehkogel erwarten durfte. Ein Mutterschaf samt Lämmchen. Beide Tiere hatten sie aufmerksam angesehen, und das Lamm hatte sofort geblökt. Wenige Minuten später aber hatte das Gespann an der vorbeischlendernden Wanderin jedes Interesse verloren und am steilen Abhang gegrast.
    Elke sah vom Gipfelkreuz hinunter zum Funtensee. Von hier oben wirkten See, Koglerhaus und Brennereihütte, eingebettet in das grüne Tal, wie die Inszenierung alpenländischer Eleganz. Ihre Augen streiften den Watzmann links am Horizont. Eine tiefe Ruhe überkam sie. Entspannt sah sie weiter nach unten, als am rechten Rand ihres Blickfeldes bei den Almrauscher-Hütten ein Mensch auftauchte.
    Neugierig beugte
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