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Fremde

Fremde

Titel: Fremde
Autoren: Gardner R. Dozois
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Das Ganze war eine völlig profane Angelegenheit, die in keiner echten Beziehung zum Alàntene oder irgendeinem anderen Fest der Cian stand, obwohl die Cian es wegen dieser Feste gebaut hatten. Hier fand man Zuflucht vor dem Wetter – und es gab Feste, die inmitten eines Blizzards oder in der kochenden, fast tödlichen Hitze des Hochsommers abgehalten wurden. Von hier aus konnte man den Zeremonien für eine Weile durch schützendes Glas zusehen; hier konnte man sich entspannen und mit den verschiedenen Essenzen, Anregungsmitteln und Speisen erfrischen, die verkauft wurden. Schon lange wurden hier Feste gefeiert, und die Cian waren sich durchaus des Unterhaltungswertes dieser Zeremonien und des kommerziellen Profits bewußt, der sich daraus ziehen ließ. Eine Verdienstmöglichkeit, die sie schon Hunderte von Jahren nutzten, lange bevor die ersten Fremdweltler eintrafen. Es waren keine über den Dingen stehende Fremden, die an der Eingeborenen-Folklore verdienen wollten; die Cian selbst machten vergnügt ihr Geschäft damit, und niemand regte sich darüber auf. Und doch begegnete man bei den Zeremonien der Tiefe stillen Glaubens, einem Gefühl religiöser Reinheit, das auf Terra schon vor Generationen ausgestorben war. Unter den Terranern wurde ständig darüber diskutiert, ob die Feste wirklich religiös waren oder die städtischen Cian darin nur eine liebgewonnene, erhaltenswerte Tradition sahen.
    Welche Meinung man dazu hatte, stellte Farber jetzt fest, hing sehr davon ab, wo man während eines Festes stand. Hier im Meer-Haus, in der Umgebung von Cian, die sich entspannt die Show durch die Fensterwände ansahen, sich mit ihren Freunden unterhielten, Erfrischungen oder gebratenen Fisch verzehrten oder einfach durch die Säulenhallen schlenderten, würde man sich mit Sicherheit für die Tradition entscheiden. Unten am Strand, in der Menge der tanzenden, stampfenden, stöhnenden Gläubigen, sah die Sache ganz anders aus. Aber es gab keine zwei verschiedene Gruppen von Cian; sie mischten sich ständig aufs Geratewohl – oft gingen die Aufwachter und Konzessionäre des Meer-Fluß-Hauses nach Beendigung ihrer Arbeitsschicht direkt zum Strand hinunter, und ständig fanden sich einige der schwitzenden, hingebungsvollen Zuschauer in dem großen Gebäude zum Ausruhen und Erfrischen ein. Es lag eine Dichotomie darin, die kein Terraner verstand, und in Farber stieg nun intuitiv die blasse Ahnung auf, daß es sich dabei nur um die Spitze eines Eisberges handelte.
    Er kaufte sich ein fuge – ein gelatiniertes Etwas, das man für eine Mischung aus Schokoladenpudding und rohen Quallen halten konnte – von einem der Stände und schlenderte langsam durch die Gänge des Meer-Hauses. Seine Erschrockenheit hatte sich inzwischen weitgehend gelegt und ihn traurig und nachdenklich zurückgelassen. Er fand einen Weg ins Obergeschoß, von wo man einen besseren Überblick über den Strand hatte. Die Beleuchtung war hier trübe und diffus, so daß Farber den Eindruck gewann, durch einen Glastunnel auf dem Meeresgrund zu schreiten. Er stellte sich vor die Fensterwand. Der Alàntene glitzerte weit unten, die winzigen Gestalten schwankten und wirbelten durcheinander, ein Spiel der Masken, aufgeführt von winzigen, belebten Puppen. Sein flackerndes Licht wallte seltsam über die gewölbte Decke und jagte verkrümmte Schatten über den Steinboden. Nach einiger Zeit bemerkte Farber, daß er nicht allein war. Jemand beobachtete in seiner Nähe mit ihm das Feuer und die Nacht. Der andere war schon die ganze Zeit dagewesen, verborgen in der Dunkelheit am Fuß einer Säule, stumm wie ein Schatten. Seine Gegenwart drängte sich geduldig nach und nach in Farbers Bewußtsein, bis Farber schließlich den Kopf wenden mußte, um nachzusehen, ohne eigentlich zu wissen, warum. Er schielte zur Seite. Es war eine Frau. Sie fühlte seinen Blick und wandte sich vom Fenster ab. Der Alàntene badete die eine Hälfte ihres Gesichtes in feuriges Licht, während die andere Hälfte im Schatten verborgen blieb. Ein Auge blitzte klar und silbern, das andere war ein blasses Glimmen in der Dunkelheit. Sie sah ihn an.
    »Hallo«, sagte sie. »Ich – spreche – nicht – sehr gut.« Ihre Stimme klang gedämpft. Ihr Englisch – die Sprache, die die anwesenden Terraner die Frechheit besaßen, als Terranisch auszugeben – war stockend und mit deutlichem Akzent.
    » Në, das macht nichts«, erwiderte Farber in ihrer eigenen Sprache, die er mit der subzerebralen Methode
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