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Fremde Schwestern: Roman (German Edition)

Fremde Schwestern: Roman (German Edition)

Titel: Fremde Schwestern: Roman (German Edition)
Autoren: Renate Ahrens
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leid, dass das Gespräch eine solche Wendung genommen hat«, sagt Elisas Mutter.
    »Ich hätte mir denken können, dass es auf diese Frage hinausläuft, aber ich habe es zu spät gemerkt.«
    »Steht schon fest, wann Ihre Schwester operiert wird?«
    »Nein, die Wartezeit kann bis zu anderthalb Jahren betragen.«
    »Merle macht sich große Sorgen um ihre Mutter.«
    »Ich weiß.«
    »Manchmal höre ich, wie sie mit Elisa darüber spricht. Neulich ging’s darum, dass ihre Mutter geraucht hat, obwohl sie das nicht darf.«
    »Ich wünsche, meine Schwester wäre so diszipliniert wie Merle.«
    Die beiden Mädchen kommen kichernd ins Zimmer gelaufen. Ihre Wangen glühen. Elisa wird zu ihr halten, egal, was in der Klasse passiert.
    Auf der Nachhausefahrt erzählt Merle mir vom Geburtstagsfest und von Elisas Adventskalender. Er ist genauso schön wie ihrer, auch Elisa hat Schokolade drin.
    Dieser Kalender hat von Anfang an große Begeisterung bei Merle ausgelöst. In der letzten Woche, als sie nicht mit mir gesprochen hat, hat sie trotzdem jeden Morgen ein Türchen geöffnet und ihre Schokoladenfigur verspeist.
    »Wie viele Tage noch bis Weihnachten?«
    »Vierzehn.«
    Im November hat Merle begonnen, mit mir die Frage zu besprechen, wem sie was schenken könnte. In der Schule sind sie damit beschäftigt, Spanschachteln und Holzteller zu bemalen. Freut sich Lydia mehr über eine Schachtel oder einen Teller? Ich empfehle die Schachtel als Schmuckkasten. Chris kann bestimmt einen Teller brauchen.

    Ein kalter Morgen. Lydia und ich gehen durch den Stadtpark. Sie erzählt mir, wie froh sie sei, dass Chris wieder da ist. Er habe unter der Trennung genauso gelitten wie sie.
    »In Zukunft werden wir dafür sorgen, dass wir uns nicht mehr trennen müssen.«
    »Wie wollt ihr das anstellen? Will er nur noch in Hamburg spielen?«
    »Mal sehen … Wir haben Pläne …«
    »Was für Pläne?«
    Lydia hakt sich bei mir unter. Wollen sie ein gemeinsames Kind? Ist sie bereits schwanger? Mir wird schwindelig.
    »Versprichst du mir was?«, fragt Lydia.
    Ich bleibe stehen, sehe sie an.
    »Nie mehr böse auf mich zu sein?«
    »Lydia, wie kann ich …«
    »Bitte!«
    Ihr eindringlicher Blick. Ich nicke, bringe es nicht über mich, sie zu fragen.

    »Wenn Mama Kindergärtnerin ist«, sagt Merle abends im Bett, »haben wir dann auch so eine schöne Wohnung wie du?«
    »Warum nicht?«
    Merles Augen sind geschlossen. Vielleicht sieht sie die Wohnung vor sich, in die sie eines Tages mit ihrer Mutter ziehen wird. Chris kommt in dieser Planung nicht vor.
    »Müssen wir nie wieder draußen schlafen?«, flüstert Merle.
    »Nein«, antworte ich und gebe ihr einen Kuss auf die Stirn.

    Zwei Tage später, an einem Samstagmittag, fahren Merle und ich zu Lydia. Sie ist nicht zu Hause. Auch übers Handy erreiche ich sie nicht. Ich hinterlasse eine Nachricht.
    Auf der Straße begegnet uns Judith. Sie meint, Lydia habe die Wohnung gegen neun verlassen und etwas von Besorgungen gemurmelt.
    »Wieso dauern die Besorgungen so lange?«, fragt Merle.
    Stundenlang wartet sie auf den Anruf ihrer Mutter. Lydia ruft sonst immer zurück. Ist ihr plötzlich schlecht geworden?
    Wieder wählt Merle die Nummer von Lydias Handy.
    »Mama, ruf mich an«, höre ich sie sagen.
    Um halb sieben ist die Mailbox voll. Merle fängt an zu weinen.
    Wir fahren erneut zur Wohngruppe. Katja öffnet uns die Tür. Sie hat Lydia seit gestern Abend nicht gesehen.
    »Dürfen wir reinkommen?«, frage ich.
    Merle läuft auf Lydias Zimmertür zu, drückt die Klinke herunter.
    »Sie ist auf!« Merle schaut mich erschrocken an.
    Wir treten ein.
    »Da liegt ihr Handy«, ruft Merle und zeigt auf den Tisch.
    Im selben Moment entdecke ich auf Lydias Kopfkissen das Eurosignal. In meinen Ohren rauscht es. Warum trägt sie das Signal nicht mehr?
    »Guck mal!«
    Für Merle und Franka steht auf dem zusammengefalteten Blatt Papier, das mit einer Stecknadel an der Wand befestigt ist.
    Merle löst die Nadel, reicht mir den Brief.
    Mein Mund ist trocken.
    Liebe Merle, liebe Franka,
    wenn Ihr diese Zeilen findet, bin ich schon unterwegs. Bitte verzeiht mir, dass ich mich nicht von Euch verabschiedet habe. Ihr hättet versucht, mich an dem zu hindern, was ich jetzt unternehmen werde, und das konnte ich nicht riskieren.
    Stellt Euch vor, ich habe plötzlich die Chance bekommen, nach Indien zu reisen, zu einem Heiler, von dem ich Großes gehört habe! Durch seine außergewöhnlichen Kräfte sind schon viele Menschen
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