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Fremde Gäste

Fremde Gäste

Titel: Fremde Gäste
Autoren: Mary Scott
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sagt
>Meine Liebe< zu Ihnen, liest Ihre Postkarten und hat ihre Not mit den
Akontozahlern, weil sie nie weiß, wieviel sie ihr gerade schulden .«
    Ich lachte. Vor Zeiten hatte
ich mir »Tantchen« auch so vorgestellt. »Da liegen Sie aber völlig falsch! Miß
Adams — wagen Sie ja nicht, etwa >Tantchen< zu ihr zu sagen! — ist
ungefähr fünfzig, aber sie ist fesch und gescheit und modern. Der Colonel
stellt sie den Neulingen so vor: >Eine Prachtfrau! Kann nicht begreifen,
warum sie einen Laden führt. Sie ist nicht wie die üblichen Geschäftsfrauen,
eher wie von unserer Art .< «
    Ich mag den Colonel sehr gern
und hatte eigentlich kein Recht, seinen Tonfall und seine Art so zu imitieren.
Aber irgendwie beschreibt er Tantchen sehr gut; sie ist genau, wie er sie
schildert — und noch viel mehr.
    Der Junge grinste. »Wenigstens
den alten Knaben kann ich mir richtig vorstellen! Ein echter Colonel, erfüllt
mit Geschichten aus dem Ersten Weltkrieg und voller Zorn über die langen Haare
und das dekadente Aussehen der jungen Männer von heute .«
    Ich wollte es nicht zugeben,
denn so waren tatsächlich die Ansichten meines alten Freundes über die heutige
Jugend. Ich überlegte, was er wohl von diesem Burschen halten würde, wenn der
bei ihm um Arbeit nachfragte.
    Beim Anblick dieser Haare würde
er ihn wohl gleich wieder fortschicken. Andererseits brauchte er eine
Hilfskraft, ebenso wie Peter Anstruther , dessen alter
Schäfer ein halbes Jahr Urlaub machte, um sein geliebtes Schottland
wiederzusehen. Dieser Peter war übrigens lange in meine Nichte Tony verliebt
gewesen; oder sie schien in ihn verliebt zu sein. —
    Als wir aus der Ebene von Te
Rimu auf die Höhen hinauffuhren, sagte mein Fahrgast plötzlich: »Jetzt muß ich
mich wohl endlich vorstellen. Mein Name ist David, David Hepburn. Ich bin
einundzwanzig, geistig normal, soweit man das von einem sagen kann, der gerade
fürs Examen gebüffelt hat. Wollen Sie auch noch etwas über meine Eltern wissen ?«
    »Ganz gewiß nicht !« sagte ich. Dieser junge Dachs mußte kurzgehalten werden!
»Wir brauchen nicht den Stammbaum eines jeden zu kennen, der hier arbeitet .«
    Ich dachte, das würde ihn etwas
dämpfen, aber er machte sich nichts daraus und meinte grinsend: »Das ist gut,
denn meine Eltern interessieren mich nicht im geringsten. Aber um den Anstand
zu wahren, will ich Ihnen doch kurz berichten: Mein Vater ist Arzt; er möchte,
daß ich das auch werde. Ich bin anderer Meinung, aber ich kam ihm entgegen mit
dem Vorschlag, mein Vordiplom für Naturwissenschaften zu machen, was den Weg
zum Medizinstudium ebnet, falls ich das eines Tages doch ergreifen möchte. Aber
ich sehne mich nicht im mindesten danach, Kranke zu versorgen und Leidenden zu
helfen. Das ist ganz und gar nicht meine Sache .«
    Er war wirklich kein
liebenswerter junger Mann. Er wußte wohl, daß ich das dachte, denn er sagte:
»Jetzt möchten Sie mich bestimmt an die Luft setzen. Aber warum sollte ich
nicht ehrlich sein? Der Drang zum Heilen fehlt nun einmal bei meinen Anlagen,
und ich mag mich nicht mit Gewalt in einen Beruf hineinboxen lassen. Es gibt
viel zu viele Ärzte, was die Statistiker auch sagen mögen. Meine Eltern wohnen
in Auckland, in Remuera, das ist bekanntlich das Paradies der Snobs .«
    »Unsinn! Viele meiner Freunde
leben in Remuera; sie sind bestimmt keine Snobs. Übrigens wohnen meine Eltern
auch dort. Und Snobismus kann ich nicht ausstehen .«
    »Das war ein Hieb. Ja, es war
blöd von mir, so zu reden, aber ich bin nun mal ein Dissident, ein Protestler,
wie man das heute nennt, der sich nicht artgemäß entwickelt hat. All diese
Vorschriften und Konventionen habe ich gründlich satt, samt dem Zwang, einen
einträglichen Beruf zu ergreifen; das nämlich ist die eigentliche Auffassung
vieler hingebungsvoll praktizierender Ärzte. Alldem möchte ich entfliehen, um
diesen übertriebenen Ausdruck zu gebrauchen... Himmel, das scheint mir jetzt wirklich
zu gelingen!« Wir waren nämlich auf unserer Straße quer durch den Busch; weit
und breit war kein Haus zu sehen.
    »Nur keine Aufregung !« sagte ich boshaft. »Bald sehen Sie das Tal drunten liegen
und können sich wieder beruhigen. Es ist durchaus zivilisiert, wenn es auch
abseits liegt. Nach dem Krieg wurde die Niederlassung zum Zweck der
Wiedereingliederung entlassener Soldaten gegründet. Damals haben sich mein Mann
— ich heiße übrigens Susan Russell, mein Mann heißt Paul — und zwei seiner
Kriegskameraden um
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