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Freitags Tod

Freitags Tod

Titel: Freitags Tod
Autoren: Anne Kuhlmeyer
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Gesicht. »Ganz reglos liegt er am Boden. Kann nichts mehr machen, kann dir nichts mehr tun, Mutter, und dir auch nicht, Sophie.« Dann wendet er sich Sophie zu. »Das mit den Augen …« Er ist sehr bleich. »Das hättest du nicht machen müssen, Sophie. Das hättest du nicht machen müssen.« Unablässig schüttelt er den Kopf.
    Aber sie hatte es machen müssen. Henry weiß nichts von diesen Augen, wie sie sie ansehen, wie sie sie durchbohren und abweisen, wie sie sie quälen. Selbst jetzt noch.
    »Manchmal denke ich, wir hätten es überhaupt nicht tun sollen. Manchmal denke ich, es hätte einen anderen Weg geben müssen. Wir hätten ihn anzeigen müssen.« Immer noch das Kopfschütteln, als könne es alles ungeschehen machen.
    »Nein!«, sagt die Mutter so bestimmt, dass Sophie zusammenzuckt. »Dann wäre er noch da. Nein! Ich konnte nicht mehr so leben. Das war kein Leben.« Ihre Stimme zerfasert.
    »Und jetzt? Ist es jetzt besser für dich? Für Sophie? Für mich?«
    »Ja. Jetzt ist er nicht mehr da.« Die Mutter lässt die Schultern sinken. »Ich will nach Hause«, und sieht ihren Sohn flehentlich an. Henry seufzt.
    »Ich rede mit den Kollegen. Auch wenn ich nicht mehr dabei bin, habe ich noch ein paar gute Kontakte.«
    »Es war ungerecht, dir zu kündigen«, sagt Sophie.
    »Nein. Und du weißt das.« Strenge in seinem Blick. Sophie hat das Gefühl, dass alles ihre Schuld ist.
    »Ich habe mich immer gut verstanden mit den Kollegen. Ich rede mit ihnen«, wiederholt er. »Wir müssen los, Sophie, ich habe noch eine Verabredung.«
    Zum Abschied nimmt Sophie die Mutter in den Arm. Sie schaudert. Kalt ist sie und riecht dumpf. Wie ein Geist.

31
    Der Sonntag machte seinem Namen alle Ehre. Nach dem Grau der letzten Tage trieb es die Leute hinaus ins Grüne. Die Parkplätze der Ausflugslokale waren belegt, und aus den Gärten hörte man das Jubeln und Kreischen von Kindern.
    Conrad bog in den Feldweg ein, an dessen Ende der Kotten seiner Mutter stand. Jossel begrüßte ihn wie immer mit überschwänglichem Gebell, sonst wirkte das Haus ruhig, verlassen fast. Ausnahmsweise war die Haustür verschlossen. An einem solchen Tag hätte er erwartet, seine Mutter bei der Gartenarbeit zu finden. Er drückte die Klingel, aber nichts geschah, nicht einmal das scheppernde Geräusch, das sie verursachte, war zu hören. Er versuchte es wieder und wieder, nichts. Vielleicht hatte sie das Gebimmel abgestellt, um nicht beim Mittagsschlaf gestört zu werden. Doch er konnte sich nicht vorstellen, dass Maria Böse an einem sonnigen Sonntag, einem Tag so mild und klar wie diesem schlief. Eine Weile kraulte er unschlüssig Jossels Ohren.
    Plötzlich klopfte sein Herz. Und wenn ihr etwas passiert war? Er hatte es ja immer geahnt. Vielleicht war sie gestürzt oder hatte einen Schlaganfall erlitten. Alarmiert suchte er nach dem Schlüssel, den sie unter der Fußmatte versteckte. Diesen Unsinn hatte er ihr nie ausreden können. Mich bestiehlt doch keiner, hatte sie auf seine Vorhaltungen, wie fahrlässig das sei, geantwortet. Unter der Fußmatte lag kein Schlüssel und auch nicht unter dem Geranientopf. Er konnte es an der Hintertür versuchen, die bekam er notfalls mit einem Taschenmesser auf.
    Mit eiligen Schritten lief er den gepflasterten Weg ums Haus herum, vorbei an blühenden Schwertlilien, Sommerflieder und Margeriten. Der Duft von Jasmin erschien ihm unpassend. Jossel sprang voraus, kam zurück und lief wieder davon. Was hatte der Hund nur? Wollte er ihn warnen vor dem, was er gleich zu sehen bekäme? Als er die Rückseite des Hauses erreichte, war es ihm klar. Es war nichts, nichts als Hundefreude über einen weiteren Besucher. Von der Terrasse her blickten ihn drei fröhliche Gesichter an. Maria Böse hob die Hand und winkte.
    »Conrad. Wie schön, dass du kommst!« Sie stand auf und lief ihm entgegen. Zur Feier des Tages trug sie ein grünes Sommerkleid mit roten Kirschen und hatte ein passendes Band ins Haar geflochten. Von der untersten Terrassenstufe aus drückte sie ihm einen Kuss auf die Wange. Das hatte sie nicht mehr getan, seit er sieben war. Ihr Gesicht leuchtete wie frisches Obst.
    »Ich habe Kirschkuchen gebacken. Willst du ein Stück? Einen Kaffee? Warte, ich hole dir ein Gedeck.« Damit verschwand sie in der angrenzenden Küche. Kirschkuchen passend zum Kleid, hier blieb nichts dem Zufall überlassen, dachte er.
    »Herr Ostendarp.« Conrad reichte dem alten Mann die Hand hin. Der legte die Kuchengabel neben dem
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