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Freakshow

Freakshow

Titel: Freakshow
Autoren: Jörg Juretzka
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Augen. Mann, ich war aber auch müde. »Und wo bleiben verdammt noch mal meine Brötchen?«
    »Brötchen«, wandte Johanna sich endlich an den Maurer, kurz, ruckartig, eisig, »sind alle.«
    »Ja, wie? Und was ist mit denen da?« Er verwies auf die regelrecht überbordende Kühltheke direkt vor seinen Knien.
    »Die sind reserviert.« Sie beugte sich vor, um mir die Kanne zu reichen. »Sonst noch etwas?«, fragte sie lächelnd, und ich musste mir regelrecht Gewalt antun, um den Blick aus ihrem Ausschnitt zu hieven. »Tja, vielleicht ein paar Brötchen? Aber nur, falls die nicht alle reserv…«
    »Ach, nein, nein, das ist kein Problem«, sagte sie leichthin, und der Maurer riss sich seine Kappe vom Kopf, schmiss sie auf den Boden und trat ein paarmal heftig mit dem Fuß drauf.
    »Vergiss es«, sagte Scuzzi zu mir.
    »Vergiss was?«, fragte ich zurück.
    »Ich kenne diesen Blick«, meinte er und goss sich noch eine Tasse voll. »Du kuckst immer so debil, wenn dein Rammeltrieb dabei ist, dein Denken lahmzulegen.«
    »Unsinn«, sagte ich.
    »Kristof, von den Jahren her könntest du ihr Großvater sein.«
    Ich musste bis zum Zeitpunkt meiner ersten Ejakulation zurückrechnen und dann rund zweimal Johannas geschätztes Alter addieren, nur um anschließend wider das Ergebnis und damit wider besseres Wissen »Unsinn« zu wiederholen.
    »Du solltest dich was schämen«, meinte Scuzzi, doch ich weigerte mich.
    Es gibt Frauen, die sind sich ihrer Wirkung auf Männer absolut bewusst. Selbst wenn sie, wie Scuzzi mir gerade völlig ungebeten in Erinnerung rief, gerade mal sechzehn sind.
    Missmutig zog ich die Kaffeekanne zu mir rüber, biss in ein Brötchen und verfiel in ein bockiges Schweigen. Ein hellblauer Pfleger stoppte kurz am Zaun, sah Scuzzi an, zog demonstrativ einen Schlüssel halb aus der Tasche, und Scuzzi sprang auf die Füße und verabschiedete sich hastig von mir.
    Die Wohnung mit kleinem Garten hatte zu Zeiten der alten Anstalt den Pförtner behaust und lag so, dass man immer noch mühelos das gesamte Kommen und Gehen der Elenor-Nathmann-Stiftung beobachten könnte, wenn es mich denn nur einen müden Furz interessiert hätte.
    Im Gegenzug konnte das gesamte Kommen und Gehen aber sein Interesse an meiner Person ausleben. Sonny und Cher stoppten auf ihrem Weg wohin auch immer und starrten über den Zaun in sprachloser Bewunderung der Fertigkeit, mit der sich Kristof Kryszinski Nahrungsmittel und Getränke zum Mund führte. Und sie ließen sich auch nicht davon stören, dass direkt neben ihnen Arbeiter anfingen, die Straße aufzureißen. Mit des Teufels eigenem Instrument. Und nein, ich rede hier nicht von der Blockflöte. Ich spreche vom zweitaktmotorgetriebenen Trennschleifer. Das Ding sprang an, ich ging rein, schloss die Tür, schloss das Fenster. Öffnete die Tür, ging wieder raus. Von der Lautstärke her ließ sich kein Unterschied feststellen.
    Mein Bett war frei, Scuzzi unterwegs. Entnervt besah ich mir die auf den Asphalt gesprühte Markierung, um abzuschätzen, wie lange das hochfrequente, kratzige, infernalische Kreischen wohl noch anhalten würde. Bis zum Abend, wie es aussah.
    Also ging ich wieder rein, schnappte mir das Kissen und die Autoschlüssel. Fahr ich eben irgendwo in den Wald, dachte ich, langen Schrittes unterwegs zum Auto, und penne im Wagen, dachte ich, als, wie sollte es anders sein, mein Diensthandy bimmelte. »Ja, verflucht«, meldete ich mich.
    »Versuchen Sie, sich mir zu entziehen, Kryszinski?« Menden.
    »Wie kommen Sie an die Nummer?«, fragte ich total verblüfft und nicht weniger angepisst zurück. »Hundertvierzig Stundenkilometer innerhalb des Stadtgebietes«, bellte Menden anstelle einer Antwort. »Nichtbeachtung gleich mehrerer roter Ampeln und Stoppschilder, fahrtrichtungswidriges Befahren zweier Einbahnstraßen und eines Kreisverkehrs … Muss ich weitermachen?«
    »Sie haben die fehlende Feinstaubplakette zu erwähnen vergessen.«
    »Ich darf Sie erinnern, dass diese Anzeigen weiterhin auf meinem Schreibtisch liegen. Und dass meine Einschätzung, ob Ihre Fahrweise den Umständen angemessen war oder nicht, weitgehend von Ihrem Bericht über die Vorfälle der Nacht abhängt.«
    »Meine Ermittlungen gestalten sich etwas zäh«, gestand ich in bitterer Erinnerung an Alfreds Halsstarrigkeit.
    »Ja, das kenne ich. Deshalb setze ich Ihnen eine Frist bis morgen Mittag, Punkt zwölf Uhr. Dann habe ich, hier vor mir auf meinem Schreibtisch, entweder einen ausführlichen Bericht
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