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Freakshow

Freakshow

Titel: Freakshow
Autoren: Jörg Juretzka
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Weg gegeben, begleitet von einem langen letzten Blick auf meine nachtschwarze Montur. »Ich habe Anweisung erteilt, dass alle Berichte über sämtliche Einbrüche in der gesamten Region in nächster Zeit über meinen Schreibtisch wandern.« Keine Einbrüche also. Von Amtsanmaßung hatte Menden dagegen nichts erwähnt.
    Ich sah auf die Uhr - noch drei Stunden, bis ich meinen Dienst antreten musste -, sprang in den Wagen, startete den Motor und jagte ihn durch die Gänge. Amtsanmaßung ist eine Droge. Hat man sie sich einmal verabreicht, ist es schwer, wieder die Finger davon zu lassen.
    Hinten im Kofferraum lag ein alter, aber sauber gefalteter, weißer Kittel, Mitbringsel eines kurzen Engagements als Ladendetektiv und nur eine von hundert ähnlich cleverer Verkleidungen, die mir unter Kollegen den Status einer Legende eingebracht haben. >Das Chamäleon< nennen sie mich. Unter anderem. Den Kittel ordentlich zugeknöpft, hängte ich mir ein Stethoskop um den Hals und ließ die kleine Stablampe, die man mir zusammen mit der Uniform ausgehändigt hatte, in die rechte Kitteltasche gleiten. Es sind die Details, bläue ich dem sprachlos staunenden Publikum auf meinen Vortragsreisen immer wieder ein. Achtet auf die Details. Der Kittel ist nichts ohne das Stethoskop, das Stethoskop nur halb so viel wert ohne die Stablampe. Entschlossen knallte ich den Kofferdeckel zu und erklomm die drei Stufen zur Tierklinik Duisburg-Wanheim.
    »Peters, Doktor, Amtstierarzt Bereich Niederrhein«, stellte ich mich der recht hübschen Mittdreißigerin am Empfangspult vor und zeigte ihr kurz - ganz kurz, ich nenne es routiniert flüchtig< - meinen aus einem Yps- Heft stammenden Geheimagenten-Ausweis mit dem imposanten Plastikwappen in Gold. »Ich muss sofort Ihren gesamten stationären Tierbestand untersuchen.« Ich demonstrierte die Stablampe, mit deren Hilfe ich die Untersuchung durchzuführen gedachte. »Es gibt hier in der Gegend erste Verdachtsfälle auf Leukomuskulose, und sollte einer Ihrer Patienten Symptome zeigen, muss ich ihn auf der Stelle in amtsärztliche Quarantäne überführen.« Vor allem, wenn es sich um einen grauen, mit viel Wohlwollen mittelgroßen Terrierbastard handeln sollte.
    »Leuko… was?« Sie war recht hübsch, aber nicht die Schnellste. Da kann man nichts machen. Ich seufzte mit bemühter Geduld.
    »Leukoplastolose. Hochansteckend. Kann vom Tier auf den Menschen übertragen werden. Also, wenn Sie nicht wollen, dass wir Ihre Klinik schließen, führen Sie mich rasch …«
    »Gerade haben Sie noch Leukomuskulose gesagt.«
    »Was? Ja, sicher. Leukomuskulose. Was haben Sie denn verstanden?« Lass dich niemals - niemals - von einer Empfangs- oder Vorzimmertorte in die Defensive drängen, sage ich immer. »Und Leukomuskulose ist nun einmal äußerst virulent. Hat sich der Erreger erst in einem Gebäude festgesetzt, bleibt nur die zwangsweise Evakuierung, gefolgt von einer sich oft über Monate hinziehenden …«
    »Und dann Leukoplastelose.«
    »Unsinn.«
    »Und von beiden Krankheiten habe ich noch nie gehört.«
    »Nun«, ich beugte mich vor, um ihr Namensschild zu entziffern, »nun, meine liebe Frau Tiebold, ein abgeschlossenes Studium der Veterinärmedizin hilft unter Umständen, solche kleinen Wissenslücken auszumerzen.« Ich war jetzt einmal in Fahrt, amtsärztliche Überheblichkeit und alles. Eine Droge, ich sag’s doch. »Ich habe ein abgeschlossenes Studium der Veterinärmedizin«, informierte mich Frau Tiebold kühl. »Ich habe nur noch nicht promoviert. Ich sitze hier in Vertretung von Frau Müller, unserer Empfangsdame, die mal rasch nach Hause musste. Sie hat den Klempner da. Und wenn ich jetzt noch mal Ihren Ausweis sehen dürfte?«
    »Ja, Scheiße«, sagte ich.
     
    »Hey, wir haben hier Kabel«, freute sich Scuzzi und zappte demonstrativ durch ein paar Kanäle Werbung, ehe er mich ansah, wieder auf den Fernseher blickte und dann zurück zu mir. Mit offenem Mund. »Das ist meine neue Berufskleidung«, informierte ich ihn ungefragt.
    »Berufskleidung«, echote Scuzzi, ohne den Blick von mir zu nehmen. »Und wo trittst du damit auf?«
    »Das ist eine Uniform«, erklärte ich, möglicherweise ein ganz klein bisschen hitzig. »Uniformen dienen generell dazu, einen bestimmten Eindruck zu erwecken. Den von Autorität, zum Beispiel, oder auch nur Zuständigkeit.«
    »Nun«, meinte Scuzzi trocken und wandte sich wieder dem Fernseher zu, »auf mich machst du den Eindruck einer Ledertucke auf Brautschau.« Ich
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