Frauenversteher
seltener in der Öffentlichkeit und in der Boulevardpresse anzutreffen, oder?
Wenn ich Helen Rowland bei meinen Liveauftritten zitiere, stelle ich mitunter fasziniert fest, dass einige Männer im Saal, die mit ihrer Partnerin im Parkett sitzen, plötzlich ins Grübeln kommen. Sie überlegen genau, was die tiefer gehende Bedeutung des Zitats für sie und ihre eigene Partnerschaft
heißen könnte. Die Vermutung liegt nahe, dass diese Männer bei Eintritt in die Partnerschaft mit der nun neben ihnen sitzenden Frau finanziell deutlich besser gestellt waren als ihre Partnerin; sie haben, wie man früher sagte, »nach unten geheiratet«. Jetzt überlegen sie, ob es neben der großen Liebe weitere Gründe deutlich banalerer Art seitens der Frau gegeben haben könnte, die Beziehung einzugehen.
Für die Frau ist in einer solchen Konstellation die Beziehung mit sozialem und finanziellem Aufstieg verbunden, sie hat »nach oben geheiratet«. Männer, die in so einer Beziehung leben, fragen sich ungewollt ab und zu, was passieren wird, wenn der durch sie verursachte Wohlstand plötzlich ausbleibt, wegbricht und sich spürbar verringert. Einige dieser Männer erkundigen sich dann ganz offen bei ihren Frauen: »Würdest du mich auch noch lieben, wenn ich ganz arm wäre?«
Praxistipp für Männer
Stellen Sie diese Frage nicht.
Es gibt zwei Gründe, warum Sie als Mann Ihrer Partnerin diese Frage nicht stellen sollten.
Grund 1: Bei dieser Frage wird auf unterschiedlichen Ebenen kommuniziert, der männlichen und der weiblichen. Sie als Mann stellen auf der klaren männlichen Kommunikationsebene eine sachliche Frage mit einem ernst gemeinten »Was wäre wenn«-Szenario im Hintergrund. Sie wollen tatsächlich wissen, was mit Ihrer Partnerschaft passieren würde, wenn Sie plötzlich arm wären.
Sie können sich das lebhaft vorstellen: Sie müssen das Haus verkaufen, Sie können nicht mehr auswärts essen, Sie gehen nicht mehr ins Theater, Sie werden keinen Urlaub mehr machen
können, Sie werden das Auto gegen ein klappriges Fahrrad tauschen müssen und mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit fahren, falls Sie überhaupt noch eine Arbeit haben. (Immerhin können Sie dann weiterhin Ihrem spektakulären Hobby nachgehen und die Fahrpläne der Nahverkehrsbetriebe Ihres Ortes sammeln.) Abends kehren Sie in Ihren ärmlichen Kleidungsstücken und mit vor Gram ob des sozialen Abstiegs gebeugten Schultern zurück in die achtzehn schimmeligen Quadratmeter, die Ihnen das Sozialamt für Ihre Frau und die zwei Kinder genehmigt hat. Sie essen aus hölzernen Schalen eine wässrige Suppe vom Vortag, schauen Ihre abgemagerten Kinder an, die den verdammten Husten nicht loswerden, weil Sie sich keine Krankenkasse mehr leisten können, und hören durch die schalldurchlässigen Rigipswände, dass Ihr arbeitsloser Nachbar das Adagio for Strings von Samuel Barber 3 in seinen uralten CD-Player eingelegt hat. Sie sehen, hören, riechen und schmecken Ihre Armut und stellen sich vor, wie Ihre wunderbare Frau das wohl erleben wird. Sie fragen sich: »Wird sie sich weiterhin nach mir verzehren? Wird sie mich als ihren Mann ehren, lieben, respektieren und begehren?« Wird sie es kaum erwarten können, bis Sie wieder nach Hause kommen, um dann stürmisch über Sie herzufallen? Wird sie Ihnen die löchrigen Socken von den Füßen reißen, um Sie von dort an aufwärts zu küssen und leidenschaftlich zu liebkosen? Sie fragen sich: »Wird sie mich dann tatsächlich noch lieben?«
Das heißt für einen Mann »in guten wie in schlechten Zeiten«. Das ist die männliche Kommunikationsebene. Sie als Mann wollen es wirklich wissen. Wie sieht es dann mit uns aus?
Ihre Frau als Adressatin Ihrer Frage wird diese allerdings auf der weiblichen Kommunikationsebene beantworten, indem
sie die tatsächlichen Konsequenzen Ihrer und damit wahrscheinlich auch ihrer eigenen Armut nicht wirklich faktisch durchspielen wird. Auf der weiblichen Kommunikationsebene ist Ihre Frage eine überwiegend emotionale. Frauen geben gerne emotionalen Halt, stärken gerne ihren Männern den Rücken. Die Frau auf der weiblichen Ebene hört in der Frage eine Bitte nach Unterstützung im Hier und Jetzt. Ihre Frau wird wahrscheinlich milde lächeln, Sie in den Arm nehmen und Ihnen beteuern, dass sie immer zu Ihnen stehen wird, egal, was kommen mag, aber sie wird nicht wirklich die faktischen Abgründe durchleben, unter denen Sie die Frage gestellt haben. Insofern bekommen Sie als Mann nicht
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