Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789

Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789

Titel: Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789
Autoren: C.H.Beck
Vom Netzwerk:
mitarbeitete, bevor er 1793 von den radikalen Jakobinern angeklagt und verfolgt wurde. Vor der Revolution hatte der zusammen mit seiner Frau, Sophie de Grouchy, geführte Salon als sog. «Wiege der Republik» ein Zentrum der französischen Aufklärung gebildet. Er war für die Sklavenbefreiung in den französischen Kolonien in Nordafrika eingetreten und hatte schon 1787 die Wählbarkeit auch der besitzenden Frauen in die ständischen Vertretungsorgane gefordert. 1790 nun erschien sein berühmtes Plädoyer für die Zulassung der Frauen zum Bürgerrecht. Er betrachtete es als «Akt der Tyrannei», in Anbetracht der auf das Naturrecht gegründeten Gleichheit der Menschen, die «Hälfte des Menschengeschlechts» – eine von ihm geprägte Formulierung – von den Bürger- und Menschenrechten auszuschließen: «Entweder hat kein Glied des Menschengeschlechts wirkliche Rechte, oder sie haben alle die gleichen, und derjenige, der gegen das Recht eines anderen stimmt, mag er auch einer anderen Religion, einer anderen Hautfarbe oder dem anderen Geschlecht angehören, hat damit seine Rechte verwirkt.» Damit hatte er – ohne den Klassenunterschied zu benennen – die auch heute noch aktuellen Hauptachsen sozialer Ungleichheit benannt.
    Aus dem großen Kreis berühmter und berüchtigter «Frauen der Revolution», die in einem der führenden Clubs, der
Vereinigung der Freunde der Wahrheit
(
Société des amis de la vérité
),eine Frauensektion begründeten und die verschiedenen revolutionären Frauenclubs zu vereinen suchten, ragt
Etta Palm d’Aelders
(1743–1799) hervor, eine gebildete Frau und schillernde Person holländischer Herkunft, die sich nach einem bewegten Leben 1774 in Paris niedergelassen hatte und hier mit einem eigenen Salon in den verschiedenen Zirkeln von Liberalen und europäischen Diplomaten verkehrte. Sie gilt als die erste Frau, die öffentlich zugunsten von Frauen das Wort ergriff. Sie veröffentlichte Zeitungsartikel und Pamphlete und provozierte mit ihren Reden vor den «Freunden der Wahrheit» zwischen 1790 und 1791 hitzige Debatten über Frauenrechte. «Wir sind Eure Gefährten, nicht Eure Sklaven», war ihr Motto. An der Spitze einer Frauendelegation erschien sie in der Nationalversammlung und forderte in einer Petition die Abschaffung des Erstgeburtsrechts, gleiche Scheidungsfreiheit für Frauen und Männer, den Schutz geschlagener Frauen und politische Gleichberechtigung, ja selbst den gleichen Zugang zu allen militärischen Diensten und Posten. Als Präsidentin der
Société patriotique et de bienfaisance des Amies de la Vérité
entwickelte sie darüber hinaus Vorschläge für ein nationales Wohlfahrtssystem, das sich insbesondere der Erziehung und Fürsorge für arme Frauen und deren Kinder annehmen sollte. In diplomatischer Mission nach Holland zurückgekehrt, wurde Etta Palm dort nach Ausrufung der Republik 1795 der Spionage verdächtigt und verhaftet. Sie starb kurz nach ihrer Freilassung 1799 in Den Haag.
    Eine der extravagantesten und bis heute in ihrer Bedeutung verkannten Frauen der Französischen Revolution war
Olympe de Gouges
, geb. Marie Gouze (1748–1793). Unmittelbar nachdem die Nationalversammlung im September 1791 die erste republikanische Verfassung Frankreichs verabschiedet hatte, der die allgemeine Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 als Grundrechte vorangestellt waren, veröffentlichte sie ihre
Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin (Déclaration des droits de la femme et de la citoyenne)
. Mit der Verabschiedung dieser Verfassung, in der entgegen den Gleichheitsversprechen der Menschenrechte sowohl die Monarchie als konstitutionelle als auch das Zensuswahlrecht, d.h. ein Männerwahlrechtnach Besitzklassen, beibehalten wurde, war klar geworden, dass nicht nur die Privilegien der Besitzenden, des Bürgertums, sondern auch die des männlichen Geschlechts neu befestigt wurden. Tatsächlich waren paradoxerweise mit der Abschaffung der Adelsprivilegien auch die im Ancien Régime einzigen Wahl- und Vertretungsrechte von Frauen der höheren Stände aufgehoben worden. In einer scharfzüngigen Polemik kennzeichnete Olympe de Gouges daher in ihrer Vorrede zur Frauenrechtserklärung das Kernproblem: «Der Mann allein» maßt sich an, «von der Revolution zu profitieren … Extravagant, blind, von den Wissenschaften aufgeblasen und degeneriert, will er in diesem Jahrhundert der Aufklärung und des Scharfsinns, doch in krasser Unwissenheit, despotisch über ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher