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Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789

Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789

Titel: Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789
Autoren: C.H.Beck
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rationalistische Trennung von Körper und Verstand/Geist zugleich auf der Annahme beruhte, dass die Vernunft als besondere Begabung den Menschen vor allen anderen Lebewesen auszeichne. Das bedeutete, dass auch die Besonderheit des weiblichen Körpers die Verstandestätigkeit der Frau nicht beeinflussen könne. Doch dieser Einsicht wurde sogleich und immer wieder von den verschiedensten Seiten heftig widersprochen. Mit der Entwicklung der empirischen Wissenschaften, insbesondere den medizinischen Erkenntnissen über die besondere Physiologie der Frau und der Entdeckung, dass Wissen und Denken sehr wohl von Sinneswahrnehmungen, Gefühlen und Erfahrungen beeinflusst werden, wurde diese rationale Begründung der Gleichheit der Geschlechter als Vernunftwesen nicht mehr akzeptiert. Die nachhaltigste Wirkung hatten die politischen Theorien und pädagogischen Schriften von Jean-Jacques Rousseau. In seinem fast gleichzeitig mit de la Barres Werk veröffentlichten Erziehungsroman
Emile oder Über die Erziehung
(1762) philosophiert er im 5. Buch «Über Sophie oder die Frau» ausführlich über die geschlechtsbedingten Unterschiede zwischen Mann und Frau und kommt zu dem Schluss, dass die Anatomie der Frau, im Jargon der Zeit die «Natur der Frau», auch ihre Stellung in der Gesellschaft und im Recht bestimme. Wie bei anderen Aufklärungsphilosophen, z.B. Fichte, wird diese Analogie zwischen Körper und sozialer Ordnung aus der ungleichen Stellung im Sexualakt abgeleitet und zugleich mitVerweis auf das notwendige Schamgefühl der Frau moralisch begründet, warum es prinzipiell keine Gleichberechtigung der Frau geben könne: «Das eine muss aktiv und stark, das andere passiv und schwach sein … Die wirkungsvollste Art, diese Kraft zu erwecken, ist, sie durch Widerstand notwendig werden zu lassen … Aus dieser Verschiedenheit der Geschlechter … im Hinblick auf das Geschlechtliche … folgt, dass die Frau eigens dazu geschaffen ist, dem Mann zu gefallen» (Rousseau 1963, zuerst 1762, 721–726). Rousseau bewegte sich mit dieser Auffassung über die besondere und andere Rolle der Frau im dominanten Denkmuster der abendländischen Philosophie, die seit der Antike, insbesondere in der christlichen Deutung über Thomas von Aquin aus der Gegenüberstellung von männlich – weiblich, aktiv – passiv die Minderwertigkeit, Unvollkommenheit bzw. notwendige Unterwerfung der Frau unter die Herrschaft des Mannes zu legitimieren versuchte. Nicht zuletzt die ältere, gleichwohl zweite Schöpfungsgeschichte aus Genesis 2 und 3, in der Eva aus der Rippe Adams geformt wird und die mit dem von Eva initiierten Sündenfall endet, hatte der patriarchalen Weltordnung in der Kultur des Abendlandes, in den Mythen, Bildern und vor allem in der Kunstproduktion nicht nur Popularität, sondern den Charakter eines göttlichen Gebots verliehen.
    Doch indem die Französische Revolution bereits in den ersten Gesetzgebungsakten die Privilegien des Klerus beseitigte, die Klöster auflöste und die Kirchengüter enteignete und durch eine strikte Trennung von Staat und Kirche nicht nur der Meinungsfreiheit, sondern auch der Glaubensfreiheit zum Sieg verhalf, räumte sie auch mit einer religiös gestifteten Weltordnung auf. Nicht zuletzt die politischen Schriften von Rousseau, z.B. seine Abhandlung
Über den Gesellschaftsvertrag
(1758), sowie Charles-Louis Montesquieus
Vom Geist der Gesetze
(1748) hatten den Weg zu einer auf der Basis von Recht und Gesetz und der Souveränität des Volkes gegründeten Gesellschaftsordnung vorgezeichnet – allerdings ohne die Frauen auch nur gedanklich in die Lehren vom Gesellschaftsvertrag als Partner einzubeziehen. Mit dem Zusammenbruch der alten Gewalten und der Erhebung des Volkes aber waren aus den politischen PrinzipienRechtsbegriffe geworden, aus denen nun konkrete Forderungen und ein politisches Programm sozialer Gerechtigkeit abgeleitet werden konnten, auch im Blick auf und unter der Mitwirkung von Frauen.
Verteidiger und PionierInnen
    Einer der ersten prominenten Fürsprecher, der in dieser Zeit des Umbruchs bei der Umsetzung der Idee von Freiheit und Gleichheit der Menschen für die Bürgerrechte auch der Frauen eintrat, war der
Marquis Marie Jean Antoine de Condorcet
(1743–1794), Mathematiker und Philosoph, ein überzeugter Liberaler, der 1791 Abgeordneter der Nationalversammlung war und neben der Planung eines klassenübergreifenden staatlichen Bildungssystems am Entwurf einer republikanischen Verfassung
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