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Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789

Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789

Titel: Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789
Autoren: C.H.Beck
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der Sklaverei in den nordafrikanischen Kolonien Frankreichs eingetreten und hatte von da an hart um die Aufführung ihrer Stücke in der Comédie Française kämpfen müssen. Sie mischte sich vehement und kühn von der Zuschauertribüne in die Debatten der Nationalversammlung ein, inszenierte Umzüge und Straßenfeste, besuchte die Versammlungen der Jakobiner und trat in den verschiedenen Frauenclubs auf, ohne diese selbst zu organisieren. Sie kämpfte leidenschaftlich für die neuen Ideen und für eine neue Gesellschaft, die ihrer Meinung nach auf der Grundlage des Naturrechts und neuer Standards für Gerechtigkeit nur mit Hilfe des Rechts, nicht mit Gewalt oder Blutvergießen zu begründen war. Daher lehnte sie auch nach der Verabschiedung einer Verfassung der konstitutionellen Monarchie die Verurteilung Ludwigs XVI. zum Tode als Rechtsbruch ab, bot sich im Prozess sogar als seine Verteidigerin an – nicht um sein Königtum zu verteidigen, doch um ihn nicht zum Märtyrer werden zu lassen. Denn sie war der Meinung, «nur wenn er seinen Fall überlebt, ist er wirklich tot» (Duhet 1971, 85). Damit aber hatte sie sich als Royalistin diskreditiert. Und als sie sich auch noch an der Seite der Girondisten für eine föderalistische Verfassung Frankreichs einsetzte und wiederholt gegen den Terror der Jakobiner agitierte, schließlich Robespierre und Marat der Brutalität und Diktatur bezichtigte, wurde ihr vor dem Revolutionstribunal der Prozess gemacht. Sie wurde auf dem Höhepunkt der Schreckensherrschaft am 3.11.1793 mit der Guillotine hingerichtet.
    War es Ironie oder Zufall der Geschichte, dass just einen Tag vor ihrem Tod ein Dekret erlassen wurde, wonach nur die vom Vater anerkannten «natürlichen» Kinder erbberechtigt waren, um damit zugleich die Regel zu erfinden, dass die «Nachforschung, wer der Vater eines Kindes sei, untersagt ist»? Diese gesetzliche Bestimmung, die dem Gewohnheitsrecht und dem «geschriebenen Recht» des Ancien Régime unbekannt war, wurde unverändert auch 1804 in den unter der Herrschaft Napoleons verabschiedeten Code civil (Art. 340) übernommen und hat dort als Ausdruck beispielloser Härte gegenüber nicht ehelichen Müttern und ihren Kindern in Frankreich bis 1938 seine Gültigkeit bewahrt. Die von patriarchalen Interessen geleitete Maßnahme war die Antwort der Revolutionsregierung auf die von de Gouges in ihrer Erklärung geforderte spezifische Meinungsfreiheit, um Väter zur Verantwortung zu ziehen, und bereits Teil einer Reaktion, die die «wilden Exzesse» errungener Freiheiten gerade auch in den privaten Beziehungen eindämmen wollte. Nach der Einführung der Volljährigkeit und Ehemündigkeit für Männer und Frauen mit 21 Jahren im Jahr 1792 sowie gleicher Erbrechte auch für die nicht in einer Ehe geborenen «natürlichen» Kinder im Juni 1793 waren die revolutionären Gesetzgeber nun plötzlich besorgt um «die Gefahr der Erpressungen, Misshelligkeiten und Skandale», die durch diese Akte der Gleichstellung auch in die «ehrbarsten Familien» getragen wurde. Der Gleichheitsanspruch der Frauen wurde erneut dem Schutz der Familie, genauer, den Interessen der Männer in der Familie geopfert. Galten die Befreiung der Ehe aus kirchlicher Jurisdiktion, die Zivilehe und die Scheidungsfreiheit für beide Partner mit gleichen Rechten anfangs als einige der wesentlichen Errungenschaften der Revolution, als Befreiung aus persönlicher Sklaverei, so gewannen spätestens ab 1793 sehr schnell wieder die Stimmen die Oberhand, die den Sittenverfall und das gesellschaftliche Chaos diesen Freiheiten, insbesondere der Frauen, anlasteten. Frauenrechte zu fordern wurde ungehörig, waren es doch gerade die radikalsten Revolutionäre unter den Männern, die Jakobiner, die de Gouges bereits 1792 wieder in ihre Schranken wiesen: «Es ist das erste Mal, zumindest in Frankreich, dass man Frauen sozu Männern und vor allem zu Gesetzgebern hat sprechen hören: «Öffnen Sie uns die Ehrenschranke.» [Gemeint war der Zutritt zum Parlament.] … Die Ehre der Frauen besteht darin, in aller Stille die Tugenden ihres Geschlechts zu kultivieren, und zwar unter dem Schleier der Bescheidenheit und im Schatten ihres Heimes. Auch kommt es den Frauen nicht zu, den Männern den Weg zu weisen …» (Blanc 1989, 127f.)
    Obwohl dieser ersten feministischen Proklamation für die gleichen Rechte der Frau ein prominenter Platz in der politischen Ideengeschichte und Rechtsgeschichte gebührt, ist Olympe de Gouges
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