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Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789

Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789

Titel: Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789
Autoren: C.H.Beck
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Verbesserung der Weiber
– in Anlehnung an das 1781 erschienene Buch
Über die bürgerliche Verbesserung der Juden
von Christian Wilhelm Dohm, deren rechtliche Emanzipation in Frankreich mit der Revolution möglich wurde – nahm die aus dem fernen Königsberg offensichtlich mit großer Sympathie verfolgten Ereignisse in Frankreich zum Anlass, sich mit äußerst radikalen Rechtforderungen in den Gelehrtenstreit über die Gleichberechtigung der Frauen in Staat und Gesellschaft einzumischen. Gut informiert, kommentierte er das Auftreten «einer edlen Französin» vor der Nationalversammlung, vermutlich von Etta Palm d’Aelders, und fragte in deutlicher Anspielung auf Rousseaus Geschlechtertheorie: «Und Männer! Ihr wollt glauben, eine halbe Welt wäre zu eurem
bon plaisir
, zu eurem … Eigenwillen da? … zu einer Zeit, da die Menschenrechte laut und auf den Dächern gepredigt werden?» Er antwortete auf diese rhetorischen Fragen im Sinne Kants und dessen berühmter Erwiderung auf die Frage
Was ist Aufklärung?
: «Die Zeiten sind nicht mehr, um das andere Geschlecht überreden zu können, dass eine Vormundschaft wie bisher für dasselbe zuträglich sei, dass sie seinen Zustand behaglicher und sorgloser mache.» In dem ausführlichen Kapitel «Verbesserungsvorschläge» liest man deshalb so moderne Einwände wie: «Ist Erziehung bloß eine Pflicht der Mutter, oder liegt sie nicht auch dem Vater ob?» Um dann sehr grundsätzlich zu fordern: «Wär’ es dem Staate Ernst, die große und edle Hälfte des Menschengeschlechts seiner Bürger nützlich zu beschäftigen; fühlte er die große Verpflichtung,diejenigen, welche die Natur gleich machte, auch nach Gleich und Recht zu behandeln, ihnen ihre Rechte und mit diesen persönliche Freiheit und Unabhängigkeit, bürgerliches Verdienst und bürgerliche Ehre wiederzugeben; öffnete er den Weibern Kabinette, Dikasterien (die Ämter der römischen Kurie, sic!), Hörsäle, Comptoire und Werkstätten … so würden Staatswohl und Staatsglückseligkeit sich überall mehren» (Hippel 1792, 119; 341f.).
    Hippel, der vorher schon durch eine mehrfach aufgelegte Abhandlung
Über die Ehe
(zuerst 1774) und zahlreiche andere Schriften ein namhafter Autor war, ist zu seiner Zeit durchaus ernst genommen worden und hat unter Befürwortern und Gegnern eine breite Diskussion ausgelöst. Gegenüber seiner hohen Meinung vom «schönen Geschlecht» gefiel es seinen Kritikern, z.B. Johann Gottlieb Fichte, spöttisch darauf hinzuweisen, dass Hippel Junggeselle war. Trotzdem ist seine Streitschrift kaum als «Gründungstext» in die Geschichte der deutschen Frauenbewegung eingegangen. So hat sich etwa Amalie Holst, eine der zu jener Zeit bekanntesten deutschen Autorinnen, in ihrem Buch
Über die Bestimmung des Weibes zur höheren Geistesbildung
(1802) deutlich von diesem «Revolutionsprediger» distanziert. Wie die meisten ihrer Zeitgenossen fürchtete sie, dass «eine solche Umwälzung in den bürgerlichen Verhältnissen» wie die Zulassung von Frauen zu Staatsämtern «viel Verwirrung hervorbringen möchte» (zit. n. Weckel 2000, 222). Auch Gertrud Bäumer, die 100 Jahre später in ihrem groß angelegten
Handbuch der Frauenbewegung
zwar Hippel ein einleitendes Kapitel widmete, hat seine geringe Wirkung und Überzeugungskraft seinem anekdotischen Stil, seinen launigen und ironischen Anspielungen angelastet. Ein «lachender Philosoph» war, wie sie schreibt, wenig geeignet, für seine Ideen Jünger zu gewinnen (Bäumer 1901, 12f.). Dabei hatte Hippel in seiner Einleitung ausdrücklich das «lächerlich Machen» als «strengsten Beweis der Wahrheit» eingesetzt und als Methode ausführlich erörtert, weil es sich, wie er im Blick auf die Unrechtsstellung der Frauen zeigt, um Wahrheiten handelte, über die man eigentlich weinen müsste.
    In allen hier genannten Interventionen wird deutlich, dass dieDiskurse um Menschenrechte und um Feminismus von Anbeginn zusammengehören. Beide waren und bleiben internationale Diskurse. Es wird sich zeigen, dass sie in den philosophischen und politischen Debatten der nächsten 200 Jahre immer wieder aufflammen und bestimmend werden, weil ihre Anliegen nicht erledigt sind. Damit ist ein Grundton im Geschlechterkonflikt angeschlagen. Zugleich wird ein Dilemma oder ein Widerspruch offenbar, der den neuzeitlichen Feminismus bis heute begleitet. Es ist die Schwierigkeit, für die Gleichheit mit dem Mann zu streiten und doch nicht Mann sein zu wollen, oder anders
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