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Frauen lügen

Frauen lügen

Titel: Frauen lügen
Autoren: Eva Ehley
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gewesen ist, aber Fred weiß genau, dass dies seine letzte Chance ist. Im vorletzten Sommer ist ihm die ultimative Story in Form eines verzweifelten Elternpaars buchstäblich über den Weg gelaufen. Beim Abendspaziergang am Strand von List, Sylts nördlichster Siedlung, bei dem Fred – wie damals eigentlich immer – sturzbetrunken war. Die Eltern waren außer sich, ihr Kind, ein siebenjähriges Mädchen, war verschwunden. Die Polizei war ratlos, es gab nicht den Hauch einer Spur. Nur Fred hatte so eine dunkle Ahnung. Und er schaffte es im Verlauf der nächsten Tage tatsächlich, die Chose nicht zu vermasseln.
    Als der Espresso kommt, trinkt Fred ihn mit einem einzigen Schluck und bestellt gleich den nächsten. Heute Nacht will er fit bleiben, er wird die Blonde am anderen Ende der menschengefüllten Terrasse nicht aus den Augen lassen, nicht, bevor er mit Sicherheit sagen kann, ob es sich tatsächlich um seine damalige Liebe handelt.
    Steht dort wirklich Susanne? Die Frau, der er nie wieder unter die Augen treten wollte, abgerissen und dauerbetrunken, wie er es in den letzten Jahren leider ständig war.
    Doch jetzt ist alles anders. Seine Maisonettewohnung im feinen Wenningstedter Norden kann sich sehen lassen. Von der Terrasse blickt er auf den Dorfteich und hinter dem Schlafzimmerfenster im Obergeschoss kann er die Dünen zählen. Er hat begonnen, Sport zu treiben und sich gesund zu ernähren. Von April bis Oktober schwimmt er jeden Morgen in der Nordsee, und alle Wege auf der Insel legt er mit einem seiner beiden Fahrräder zurück. Er ist jetzt 57  Jahre alt, schlank, drahtig und braungebrannt.
    Und vermögend. Der Tatsachenbericht über die drei verschwundenen Mädchen hat ihn reich gemacht. Zunächst war da nur sein reißerischer Artikel über den spektakulären Kriminalfall, den der
Spiegel
überraschend bereitwillig gedruckt hat. Im Anschluss daran bekam Fred das Angebot eines renommierten Verlages für einen ausgedehnten Report in Romanform. Solche Bücher verkaufen sich zurzeit wie verrückt, hieß es, und die Konditionen, die seine eilig angeheuerte Agentin aushandelte, bestätigten diese Einschätzung.
    Ein knappes Jahr hat Fred anschließend in völliger Askese an dem Manuskript gearbeitet, auch sein Alkoholentzug fiel in diese Zeit. Vor einem halben Jahr hat dann die Buchpremiere stattgefunden, groß aufgemacht im feinsten Club von Hamburg. Die ganze Meute war da. Ehemalige Kollegen, die seinen Namen noch aus den glorreichen Zeiten kannten, ebenso wie Newcomer, die ihn plötzlich hochachtungsvoll behandelten. Ihre Blicke sprachen Bände. Hübner war ein alter Hase, der es immer noch konnte.
    Einige Wochen lang führte Fred sogar die Sachbuch-Bestsellerliste an, er hat auf den Sofas aller wichtigen Talkshows gesessen und es bereits auf einige Feuilletontitel geschafft. Seit zwei Wochen verhandelt der Verlag über eine Verfilmung des Stoffs. Fred Hübner, der alte Kämpfer, ist plötzlich wieder wer in der Kulturszene. Wenn er jetzt den besten Tisch im
Rauchfang
will, dann bekommt er ihn und zwar allein. Selbst dann, wenn er den ganzen Abend lang nur Kaffee trinkt, so wie heute. Fred selbst ist es, mit dem sich das Restaurant schmückt, den Umsatz machen die anderen Gäste, die nicht nur, aber auch gekommen sind, um Prominente wie ihn zu sehen.
    Es wäre also durchaus möglich gewesen, dass die hochgewachsene Blondine ihm einen neugierigen Blick zuwirft. Doch sie tut es nicht, hat es den ganzen Abend lang nicht getan. Nur ihre Begleiter gucken immer wieder mal herüber. Für Fred ist dieser Umstand der zwingende Beweis dafür, dass sie es tatsächlich ist. Susanne, seine große Liebe, die vielleicht ebenso wie er selbst Angst vor der Vergangenheit hat.
    Plötzlich macht ihn der Gedanke an die Zeit mit Susanne wütend. Sie hat ihn nur so lange benutzt, bis sich ein Besserer fand, eben dieser reiche Schnösel aus Hamburg, der mit seinen drei Designhotels der perfekte Schwiegersohn für ihre Eltern war. Zwanghaft sucht Fred Hübner in den Speichern seines Hirns nach dem Namen des erfolgreichen Nebenbuhlers, aber er will ihm einfach nicht einfallen. Leider ist das eine Erfahrung, die er häufiger macht. Immer wieder stößt Hübner auf Areale seines Gehirns, denen der jahrelange Alkoholmissbrauch nicht besonders gut bekommen zu sein scheint. Die Gedächtnislücken weiten sich manchmal sogar zu bedrohlich blinden Flecken auf der Karte seiner Erinnerungen aus. Wenn das so weitergeht, wird er irgendwann
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