Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frau Schick räumt auf

Frau Schick räumt auf

Titel: Frau Schick räumt auf
Autoren: Ellen Jacobi
Vom Netzwerk:
kommen erneut Anweisungen. »Ab jetzt werde ich laufen!«
    Eckehart Gast alias Wolfhart Herberger linst fassungslos in den Rückspiegel. »Ab jetzt? Unmöglich, gnädige Frau, wir sind mitten in den Pyrenäen.«
    »Das ist selbst für mich nicht zu übersehen. Trotz meinem zweimal gelaserten grünen Star, Herr Doktor Wohlfahrt.«
    »Mein Nachname ist Ga …, ich meine Herberger, gnädige Frau. Her-ber-ger.«
    »Den mag ich aber nicht, Herr Dr. Wohlfahrt. Mit Beckenbauer wäre das was anderes, der hatte hübsche Waden! O-beinig, aber kraftvoll. Ihre kenne ich ja nicht, aber Herberger? Nein, bleiben wir bei Wohlfahrt. Passt auch schön zu Ihrer Aufgabe.« Sie lächelt unschuldig und liebreizend und nickt wieder ein.
    Wahrscheinlich ist sie einfach tüddelig. Wäre mit bald achtundsiebzig Jahren durchaus möglich, wie es ihr Sekretär beim Einstellungsgespräch umhäkelt von seifiger Schmeichelei angedeutet hat: »Frau Schick führt die Firmengeschäfte seit dem Tod ihres Mannes vor fünf Jahren mit eiserner Disziplin. Zehn Stunden täglich! Eine unverwüstliche Frau und so charmant, so vornehm und hellwach … bis auf gelegentliche Aussetzer« – kleines Hüsteln und ein verschwörerischer Blick, den Herberger beflissentlich übersehen hat. »Nun ja, insgesamt ist sie sehr diszipliniert. Alter ostpreußischer Adel eben. Weshalb ich Sie, auch wenn es unmodern scheint, um eine entsprechende Anrede bitten muss.«
    Wolfhart hat mit geradezu betroffener Miene nachgehakt: »Da Adelstitel in Deutschland seit 1919 abgeschafft sind, müssen Sie mir aushelfen: Genügt ein schlichtes ›von‹, oder sollte ich eine ›Edle‹, ›Freifrau‹ oder ›Gräfin‹ davorsetzen?«
    Der Mann mit dem aufgeblasenen Titel Assistent für interne Firmenkommunikation hat den Scherz nicht einmal bemerkt. »Ein hin und wieder eingestreutes ›Gnädige Frau‹ reicht aus. Schon ihr Gemahl hat darauf bestanden, die ›Freifrau‹ und das ›von und zu Todden‹ wegzulassen.«
    Kunststück, es war ja auch nicht sein Adelstitel oder Name, sondern ihrer, hat Wolfhart gedacht, aber nicht gesagt.
    Sein dezentes Lächeln aber ist selbst dem Sekretär nicht entgangen. » Konsul Schick, ihr verstorbener Mann, war ein ebenso vornehmer Mensch und außerdem mein Vater!« Bei dieser Eröffnung ist Frau Schicks Sekretär um einige Zentimeter gewachsen. »Ich entstamme freilich einer anderen Verbindung. Ich gehöre sozusagen einer Nebenlinie des Hauses an, weshalb ich auch den Namen meiner Mutter trage.«
    Das hat Herberger wenig beeindruckt. Wer’s dranschreibt, muss es bekanntlich nötig haben. Vor allem, wenn jemand – wie der Sekretär – den schönen rheinischen Nachnamen Pottkämper trägt.
    »Nun, wie auch immer, Herr Schick – also mein Vater – war seiner Gattin sehr ergeben, genau wie sie ihm. Unzertrennlich die beiden, und das über fünfzig Jahre.« Verzückt hat Sekretär Pottkämper an dieser Stelle einen Blick auf das Doppelporträt des Firmengründers samt Frau, pardon Freifrau, geworfen, als gelte es, eine kurze Andacht einzulegen. Eine auf dreißig Sekunden bemessene Andacht. »Es wäre fatal, wenn der gnädigen Frau auf dieser Reise etwas zustieße. Sie hat in letzter Zeit ein wenig abgebaut, und bedauerlicherweise ist ihre Nachfolge noch ungeklärt.«
    An dieser Stelle wurde es ein wenig interessanter.
    »Mir ist daher wichtig, dass Sie mich regelmäßig über Frau Schicks Befinden unterrichten. Wofür Sie natürlich ein zusätzliches Honorar erhalten.«
    »Auf Rechnung von Frau Schick?«
    »Nun, nein, das erledigen wir über ein gesondertes Konto und ohne Steuer. Wir wollen die alte Dame doch nicht beunruhigen oder verärgern, nicht wahr?«
    »Die alte Dame hat mir gegenüber unmissverständlich erklärt, dass sie gedenkt, täglich bei Ihnen anzurufen. Der Geschäfte wegen.« Die, das war Herberger spätestens jetzt glasklar, allein Frau Schick, geborene von Todden, führte und keinesfalls dieses klatschsüchtige Kuckucksei für interne Firmenkommunikation. »Diese Anrufe sollten Ihnen genügend Informationen über das Befinden Ihrer Vorgesetzten liefern, meinen Sie nicht?«, fragte er freundlich.
    »Ja, ja sicher, aber verstehen Sie …« Der Mann beugte sich mit seifigem Lächeln und wie in einer schlechten Schmierenkomödie vertraulich vor und senkte die Stimme: »Ich bin an objektiven Beobachtungen von außen interessiert. Frau Schick weiß in letzter Zeit nicht immer so genau, was sie will und was sie tut. Diese ganze Idee mit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher