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Frau Schick räumt auf

Frau Schick räumt auf

Titel: Frau Schick räumt auf
Autoren: Ellen Jacobi
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und Rose, die sich an dem Lärm der Glocken kein bisschen zu stören scheint, sondern friedlich weiterschläft.
    Bettina weint. Nelly auch. Und am Ende sogar Frau Schick. »Rose«, murmelt Frau Schick und weiß genau, was sich Thekla dabei gedacht hat. Und der liebe Gott, falls es den gibt. Na, ein Kerzchen hat er dafür in jedem Fall verdient.
    Das Gloria erklingt aus Frauen- und aus Männerkehlen. Jetzt fehlt nur noch Mozart, aber nein!, der fehlt heute gar nicht.
    Und dann ertönt er doch, mit dem Rondo alla turca . Das hat Herberger für Nellys neues Handy als Klingelton gewählt. Und jetzt klingelt Nellys Handy.
    »Gehen Sie endlich ran!«, schimpft Frau Schick. »Sie wecken mir noch das Kind auf.«
    Nelly zieht das Handy heraus, will das Gespräch einfach wegdrücken. Aber dann bleibt ihr Blick an dem Foto hängen, das ihr der Anrufer übermittelt hat.
    Bettina schielt auch drauf. »Ein Olivenbaum. Wie schön.«
    Nelly drückt auf Empfang, hebt zitternd das Handy ans Ohr.
    » Omnia vincit amor« , sagt Herberger. »Ich stehe an der zweiten Säule links hinter dir, und wehe, du versuchst noch ein einziges Mal, vor mir davonzurennen.«
    In diesem Leben nicht mehr, denkt Nelly.
    »Hoffentlich ist der Zirkus bald vorbei«, schimpft Frau Schick. »Rose läuft die Windel über.«

Epilog
    »Und jetzt erzählen Sie mir, was genau in Coober Pedy zwischen Herberger und diesem Lutz passiert ist«, fordert Frau Schick.
    Nelly wundert sich, dass die alte Dame den Namen des australischen Opalminenstädtchens nicht zu einem Buchstabensalat vermengt.
    »Sie kennen Coober Pedy?«
    »Jeder Idiot kennt Coober Pedy oder ›Weißer Mann im Loch‹, wie die Aborigines den Ort getauft haben«, sagt Frau Schick ungeduldig. »Erzählen Sie endlich.«
    Sie sitzen in einem der verträumten Innenhöfe des Paradors von Santiago. Kaum fünfhundert Meter trennen den ehemaligen Königspalast vom Rummel auf dem Kathedralplatz. Hinter den trutzigen Mauern herrscht klösterliche Stille, die nur von Spatzengezänk durchbrochen wird. Ein Brunnen plätschert zwischen gestutzten Buchsbaumhecken. Ein Idyll. Das Gegenteil von Coober Pedy.
    Nelly setzt zögernd die Tasse ab. »Ich kannte Coober Pedy nicht.« Und lieber wäre ihr immer noch, nie von diesem Ort gehört zu haben.
    Frau Schick tätschelt Nellys Hand. »Ich habe mich unklar ausgedrückt. Ich meinte, jeder Idiot, der sich in ungesunder Weise für Edelsteine interessiert, kennt Coober Pedy. Mein Paulchen hat mal Juwelen gehortet und fand weiße Opale wunderschön. Die stammen meist aus Coober Pedy. Es gibt Sammler, die zahlen Höchstpreise für sehr exklusive Steine und beauftragen zweifelhafte Schatzsucher wie Herberger, um die Objekte ihrer Begierde zu beschaffen. Je obskurer die Herkunft ist, desto aufregender ist es, den Stein zu besitzen. Über Coober Pedy mit seinen unterirdischen Wohnungen, Höhlenkirchen, Bars und den sprengwütigen Desperados aus aller Herren Länder gibt es die schönsten Gruselgeschichten. Nach dem Krieg sind scharenweise Europäer dorthin gezogen. Sie haben doch bestimmt danach gegurgelt, oder?«
    Nelly nickt, das hat sie. Zum ersten Mal in Viana, als sie Herberger noch für einen Schwerverbrecher hielt. Kein Wunder, bei all den Räuberpistolen, die sie über das Schürfstädtchen im australischen Outback gefunden hat. Geschichten über Krokodil-Harry, einen deutschen Grafen, der das lebende und recht verruchte Vorbild für Crocodile Dundee war, Nachrichten über häufige Streitigkeiten zwischen Opaljägern, die unter Ausschluss der Polizei und Schusswaffengebrauch beendet werden, über Schatzgräber, die sich selbst oder gegenseitig in die Luft jagen, und Reportagen über einsame Wölfe, die fabrikhallengroße Wohnungen in Felshöhlen fräsen, wo sie hausen wie ein depressiver Fred Feuerstein samt Kuckucksuhr. Sie legen sogar Schwimmbäder an, die dreißig Meter unter der Erde liegen, weil oben die Sonne höllenheiß brennt. Bilder des Städtchens hat sie auch gefunden.
    Coober Pedy sieht an der Oberfläche so reizvoll aus wie eine explodierte Mülltonne und ist untertunnelt wie ein Hamsterheim. Kein Wunder, dass auf dem Friedhof gern Bierfässer als Grabstein gewählt werden und Alkohol das wichtigste Grundnahrungsmittel ist. Ebenfalls kein Wunder, dass Hollywood in Coober Pedy bevorzugt Endzeitfilme dreht.
    Eckehart hat dort seine eigene kleine Apokalypse erlebt. Er spricht nicht gern über Coober Pedy. Und Nelly denkt nicht gern daran.
    Frau Schick schon.
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