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Frau Schick räumt auf

Frau Schick räumt auf

Titel: Frau Schick räumt auf
Autoren: Ellen Jacobi
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nur beim Reisen zuschauen darf: »Der arme Sauerampfer sah Eisenbahn um Eisenbahn, sah niemals Dampfer.« Aber das hat hier jetzt nichts zu suchen.
    »So viele Abschiede wie in den vergangenen Tagen vertrag ich einfach nicht, Bettina.«
    »Martha, Hermann und ich sind noch bei Ihnen, und Paolo ebenfalls. Und Herberger wartet in Santiago auf Sie.«
    »Aber Nelly nicht«, beharrt Frau Schick stur.
    »Die meldet sich bestimmt bald aus Deutschland. Sie hat jetzt erst einmal genug mit ihrer Tochter zu tun und Sie demnächst mit Ihrem Patensohn und einem Enkelsohn! Es wird alles gut, da bin ich mir ganz sicher.«
    »Kunststück, Sie sind ja auch verliebt«, wiederholt Frau Schick.
    »Daran liegt es nicht. Denken Sie an die Rose in San Anton, an den wundervollen Brief.«
    »Der war von Thekla, nicht von Johannes. Der weiß doch noch gar nicht, was für eine Nachricht ihn durch mich erwartet. Thekla hat es mir überlassen, ihm zu sagen, wer sein Vater ist. Am Ende will Johannes gar nichts von einem Vater wissen, der sich nie um ihn gekümmert hat.«
    »Er hat ihm eine sehr gute Ausbildung finanziert und hätte sicher gern mehr getan, wenn …«
    »Wenn ich nicht gewesen wäre!«, unterbricht Frau Schick. »Was ist, wenn Johannes ihn für einen Schuft hält, wenn er alles erfährt? Paolo hält seinen Vater schließlich auch für einen Schuft, obwohl der sein Medizinstudium und die Mutter gleich mitfinanziert hat und einer der anständigsten Männer ist, die ich je kennengelernt habe. Viel anständiger und ehrlicher als mein Paul.«
    »Wenn Herberger so ein Engel wäre, würde Paolo ihn nicht auf Abstand halten, Frau Schick. Da stimmt etwas nicht. Sie haben selbst erlebt, wie stürmisch und wechselhaft es zwischen den beiden während der Reise immer wieder zugegangen ist.«
    »Das ist zwischen Vätern und Söhnen durchaus üblich. Vor allem, wenn sie sich so ähnlich sind. Denken Sie nur an die Musik!«, sagt Frau Schick. Dass Herberger und Paolo genau das sind – Vater und Sohn –, hat sie dank Bettina in Molinaseca herausgefunden.
    Während Nelly dort nach der Nachricht über Becky rasch ihren zerbeulten Koffer packte, hat Frau Schick Herberger – nein, Eckehart Gast natürlich, aber an diesen Namen wird sie sich nie gewöhnen – gefragt, warum Paolo mit Nachnamen auch so heißt. Gast und nicht etwa Otero wie seine galizische Mutter. Als »Otero« hat Paolo sich zwar der Reisegruppe vorgestellt, aber seine eigene Handynummer stand im Verzeichnis seines Mobiltelefons einmal unter »Otero« und ein zweites Mal unter »Paolo Gast«. Bettina hat das auf der Suche nach Herbergers Nummer entdeckt. Der war natürlich auch unter »Gast« eingetragen, und das erst seit Kurzem.
    Herberger hat nach Frau Schicks Enthüllungen nicht lange geleugnet. Nur kurz grimmig geguckt, gesagt, das ginge sie nichts an, und er verbitte sich jegliche Einmischung in seine Geschichte um den verlorenen Sohn.
    »Das geht mich sehr wohl etwas an, wenn Sie deswegen auch noch Nelly verlieren«, hat Frau Schick insistiert. Dieser Herberger – typisch Mann! – hat da noch gar nicht gewusst, dass er Nelly liebt. Das musste ihm erst einmal gesagt werden! Bettina hat das auch so gesehen.
    Hach, esoterisch durchgeknallt oder nicht: Clever ist Bettina schon, und auch sie wird bald weg sein!
    Frau Schick kann nicht mehr. Sie lässt sich auf einen großen grauen Stein am Wegrand plumpsen. Sie kann einfach nicht mehr. Verdammt!, alles ist schiefgelaufen, nichts ist so geworden, wie sie sich das gedacht und geplant hat. Sie ist eine nutzlose Alte, der jetzt zu allem Überfluss dicke Kullertränen aus den Augen quellen. Ganz dicke, die sonst nur Kinder weinen.
    »Geben Sie mir Ihr Handy!«, verlangt Bettina in scharfem Ton. »Sofort.«
    »Was wollen Sie denn damit?«, greint Frau Schick. Sie weiß, dass sie ganz furchtbar klingt, aber jetzt ist das auch egal.
    »Ich rufe jetzt diese Ricarda in Düsseldorf an. Sie muss mir Nellys Nummer geben.«
    »Das will ich nicht«, schluchzt Frau Schick. »Nelly soll sich freiwillig melden. Alle sollen sich freiwillig melden. Liebe kann man doch nicht erzwingen.«
    Paolo löst sich von Ernst-Theodor, Hermann und Martha, die eben vorbeimarschieren, und kommt mit besorgter Miene auf sie zu. »Was iste?« Er greift nach Frau Schicks Handgelenk, fühlt nach ihrem Puls.
    Martha und Hermann eilen mit einer Flasche Wasser herbei. Hermann findet ein Taschentuch. »Äh … es ist frisch gebügelt«, bietet er es Frau Schick verlegen
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