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Frau Schick räumt auf

Frau Schick räumt auf

Titel: Frau Schick räumt auf
Autoren: Ellen Jacobi
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zudem an Viabadels Heimat. »Hier ist es fast so grün wie im Baskenland! Erinnern Sie sich? Burguete, Navarra …«
    In Wahrheit ist es hier sehr viel grüner, so grün, wie es Frau Schick aus Bildbänden über England und Irland kennt. Daran erinnern sie auch die von Hand geschichteten Bruchsteinmauern, das wellige Weideland, die vielen glücklichen Kühe und der Regen, der sie gestern den ganzen Tag verlässlich begleitet hat. Dauerregen ist lästig, nass und nichts für ihre alten Knochen.
    Aber solche Wahrheiten und ungünstige Wetterlagen erkennen Verliebte wie Bettina bekanntlich nicht. Sie erzählen lieber den ganzen Tag Unsinn darüber, wie unfassbar schön die Welt ist. Das ist ja in Ordnung, solange sie das unter sich tun, aber wenn Verliebte wegen einer vorübergehenden Trennung den Rest der Menschheit mit ihrem Glück beglücken, ist das lästig. Frau Schick seufzt. Bettina ist besonders glücklich und entsprechend lästig, weil der Baske mit Quijote auf seine Finca zurückgekehrt ist. Er will rasch die Weinernte hinter sich bringen, damit er und Bettina nach Santiago viel Zeit füreinander und nichts zu tun haben, außer verliebt zu sein. Wäre die Gute doch mitsamt ihrem Basken bloß in Molinaseca geblieben. Die Hochzeitssuite ist schließlich wieder frei. Anders als Hildegard und Ernst-Theodor hätten Bettina und Herr Viabadel sie bestimmt zu schätzen gewusst und sich nicht im Anschluss an eine Nacht im Himmelbett getrennt.
    Hildegard hat ihrem Ernst-Theodor nämlich den Laufpass gegeben und marschiert jetzt als selbsternannte Ikone der Frauenbefreiung immer zwei Kilometer vor der Gruppe her. Damit will sie sich und Ernst-Theodor beweisen, wie unabhängig sie ist. Das zumindest hat sie gestern in einem Ort namens Portomarin ausführlichst erklärt. Ernst-Theodor hat seiner getrennten Gemahlin allen Ernstes zugehört und dem Blödsinn auch noch zugestimmt. Etwa dem, dass er Hildegard ein Leben lang von ihrer Selbstentfaltung und eigenen Hobbys abgehalten habe und nie den Müll runterträgt.
    »Aber ich bügle doch meine Hemden und koche oft«, hat Ernst-Theodor lediglich schwach protestiert.
    »Weil dir das Spaß macht«, hat Hildegard gekontert, »das zählt dann nicht.«
    Danach sind sie sich darüber in die Haare geraten, wer lauter schnarcht und wer nachts zuerst damit anfängt. Anscheinend ist das für Hildegard ebenfalls ein zentrales Thema der Gleichberechtigung; ab sofort will sie atomuhrgenau und gleichzeitig mit Ernst-Theodor damit anfangen.
    Nein, das wird nichts mehr, denkt Frau Schick. Wesentlich anders wird das in den letzten fünf, zehn Jahren zwischen Hildegard und Ernst-Theodor auch nie gewesen sein. Denen ist einfach die Liebe abhandengekommen, wie anderen Leuten ein Stock oder Hut. So zumindest hat Erich Kästner das in einem Gedicht mal ausgedrückt. Wie ging das noch? Sie muss Bettina fragen. Nein, besser nicht. Verliebte und Gedichte ist eine ganz gefährliche Kombination, das kennt sie von Nelly.
    Ach, Nelly. Nelly. Nelly!
    Verschwindet die doch tatsächlich trotz guter Nachrichten und meldet sich nicht einmal mehr. Mit keinem Pieps. Man weiß nicht mal, ob sie in Düsseldorf gut gelandet ist. Hermann und Martha fragen jeden Tag nach, ob Frau Schick etwas von Nelly gehört hat. Nein, hat sie nicht. Sie weiß nur, dass Herberger Nelly und ihren verbeulten Koffer vor zwei Nächten am Flughafen von Santiago abgeliefert hat. All die netten Kleinigkeiten, die Frau Schick ihr gekauft hat, hat sie Herberger in einer Tüte mitgegeben. »Mit vielem Dank zurück.« Nicht einmal ihr Honorar will Nelly haben. Das hat Herberger Frau Schick in einem Anruf aus Santiago am nächsten Morgen mitgeteilt.
    »Und sie ist wirklich weg?«, hat Frau Schick gefragt.
    »Ja.«
    Frau Schick konnte es nicht fassen. »Haben Sie ihr unterwegs denn nicht dieses Zigeunerlied vorgespielt?«
    »Das habe ich, Frau Schick, und Nelly hat sehr vernünftig darauf reagiert.«
    »Wie denn?«
    »Gar nicht, und so ist es am besten. Ich habe Wichtigeres zu erledigen, wie Sie wissen.«
    »Worüber zum Teufel haben Sie denn die ganze Zeit mit Nelly gesprochen? Sie sollten ihr doch endlich die Wahrheit sagen. Wenn Sie sie mir schon nicht verraten.«
    »Sie können sich denken, dass das nicht einfach ist. Paolo und ich haben noch einen langen Weg vor uns.«
    »Unsinn. Außerdem hat das nichts mit Nelly zu tun.«
    »Für mich schon.«
    »Wenn Sie Nelly nicht endlich sagen, dass Sie sie lieben, mach ich es«, hat Frau Schick es
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