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Frau Paula Trousseau

Frau Paula Trousseau

Titel: Frau Paula Trousseau
Autoren: Christoph Hein
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erklärte mir die seltsame Kunststoffarmatur des transportablen Waschschranks. Ich kletterte hinein und stellte das Wasser an, Katharina setzte sich auf den anderen Küchenstuhl und redete weiter. Als ich das Wasser abdrehte, stand sie auf und brachte mir ein Handtuch, wobei sie ununterbrochen von ihrem Freund erzählte, mit dem sie seit vier Wochen zusammen war. Sie sagte, sie habe ihn sehr gern, er sei aber unglaublich eifersüchtig.
    »Er will die absolute Kontrolle über mich«, sagte sie, »das nervt. Er hätte es am liebsten, wenn ich ihn ständig darüber informiere, was ich gerade tue und wo ich bin.Und bin ich mal einen halben Tag nicht auffindbar, dann kommt er mitten in der Nacht angerannt. Hattest du mal so einen Typen?«
    Ich nickte.
    »Sei froh, dass dein Hans ein anderes Kaliber ist. Wenn ich mir vorstelle, ich würde mit meinem Liebsten so umspringen wie du, der würde mich umbringen.«
    Ich schaute überrascht zu ihr und begutachtete dann sorgfältig einen blauen Fleck an meinem Oberschenkel. Ohne aufzusehen, sagte ich: »Schau mich nicht so an. Du machst mich verlegen.«
    »Du bist schön, Paula.«
    »Bin ich nicht.«
    »Doch, Paula. Du bist wunderschön.«
    »Nein. Ich darf mich gar nicht im Spiegel betrachten, da wird mir ganz schlecht. Ich sehe immerfort durchfroren aus, da kann ich mich schminken, wie ich will. Ein blasses durchfrorenes Mädchen. Und ich träumte immer, eine kräftige, wunderschöne Frau zu werden. Weißt du, so eine schöne stolze Erscheinung, wo alle den Atem anhalten, wenn sie das Zimmer betritt. Rote Locken, so eine Löwenmähne, eine strahlende Erscheinung eben, mit einem Leuchten in den Augen, so dass jeder sie lieben muss, jeder. Davon träume ich.«
    »Dreh dich nicht weg, Paula. Lass dich anschauen.«
    »Das ist mir unangenehm.«
    »Du hast einen Leberfleck über dem Bauchnabel. Sieht sehr raffiniert aus. Und so schöne Brüste. Meine sind nur irgendwie, bei mir sind das nur Titten. Nicht mal die Brustwarzen haben etwas Aufregendes. Das ist alles nur dummes Fleisch, irgendwie plump. Nicht sehr aufregend. Ich habe völlig arglose Brüste, wie ein dummes naives Ding eben.«
    Bei diesen Worten streckte sie ihre Hand aus undberührte meine Taille. Ihre Fingerspitzen streichelten sanft über meinen Bauch, dann beugte sie sich vor und küsste den Leberfleck über dem Nabel. Ich zitterte und schloss die Augen, dann krümmte ich mich leicht, um den Bauch zurückzuziehen, nahm hastig das Handtuch und rieb mir nervös den Oberkörper ab.
    Nun waren wir beide verlegen. Wir gingen ins Wohnzimmer, um uns hinzulegen. Wir vermieden es, uns unter der gemeinsamen Bettdecke zu berühren, und lagen, einander den Rücken zugekehrt, am jeweils äußersten Rand der Couch.
    »Gute Nacht, Kathi.«
    »Ja, wir sollten schlafen. Du hast morgen deinen großen Tag.«
    »Es wird schon schiefgehen.«
    »Ich wette, dass sie dich nehmen. Wollen wir wetten? Wie in der Schule. Da haben wir auch immer gewettet.«
    »Na, mal sehen, was morgen wird.«
    »Du schaffst es. Ich weiß es. In der Schule habe ich jede Wette gewonnen.«
    »Ich weiß. Irgendwann hatte keine von uns mehr Lust, mit dir zu wetten.«
    »Es war schön damals. Ich denke gern daran. Auch an die Jungen, die sich immer eine ausguckten, der sie hinterherrannten.«
    »Mich hat nie jemand auch nur angesehen.«
    »Ich fand dich nett.«
    »Du zählst nicht. Ich meine nicht Freundschaft, ich spreche von Liebe. Und da gab es nicht einen.«
    »Ich hatte dich lieb, Paula.«
    »Ach, das meine ich nicht. Ich meine …«
    »Ich habe schon verstanden, was du meinst. Ich war in dich verliebt.«
    »Hör auf, Kathi.«
    »Du musst keine Angst haben. Außerdem ist das ewig her. Aber ich war richtig verliebt in dich.«
    »Was heißt das? Was soll das heißen, Kathi? Bist du andersrum?«
    »Nein, überhaupt nicht. Ich habe Männer gern, ich liebe sie, und ich liebe es, von ihnen geliebt zu werden. Ich habe alles an ihnen gern, ihre Unbeholfenheit, ihre Eitelkeiten, Männer sind ja so was von eitel. Und auch ihren kleinen Schwanz habe ich gern, der ist sozusagen das Sahnehäubchen an ihnen. Aber Frauen sind einfach schöner als Männer, ganz objektiv. Und sie sind zärtlicher. Oder auf eine andere Art zärtlich, auf eine Art, die angenehmer ist, die wirklich zärtlich ist. Männer können es auch sein, aber irgendwie sind sie dabei immer grob. Das kann auch schön sein, aber mir fehlt was.«
    »Also mir fehlt da nichts.«
    »Du hast es nie probiert, Paula. In
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