Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frau Holle ist tot

Frau Holle ist tot

Titel: Frau Holle ist tot
Autoren: Roland Stark
Vom Netzwerk:
habe ich mich
schon gewöhnt, und solange es mit dem Trinkgeld stimmt, ist das voll korrekt.
Ich meine die Ahnengalerie draußen. Hast du dir das ausgedacht, Oma?«
    Lisas Stuhl kippte zurück nach vorn, sie stand auf und
schlenderte zu Hilde, die sich weiterhin darauf konzentrierte, in dem Topf, der
vor ihr auf dem Herd stand, herumzurühren. Sie näherte sich ihrer korpulenten
Großmutter von hinten, umfasste ihre Schultern und schmiegte ihre Wange an die
von Hilde.
    »Warst du das, Oma?«
    »Willst du mal probieren?«, fragte Hilde, wandte sich
zu ihrer Enkelin und hielt ihr einen Löffel mit einer dampfenden Flüssigkeit
unter die Nase. Lisa spitzte den Mund und schlürfte den Löffel laut hörbar aus.
    »Super! Was ist das?«
    So schnell würde er seine Tochter auch gern
besänftigen können, dachte Mayfeld.
    »Die Fleischsoße für die Wildschweinlasagne.«
    »Du bist die Größte, Oma.« Sie gab ihr einen Kuss auf
die Wange.
    »Das ist ein Rezept von deiner Mutter.«
    »Ach so. Du bist trotzdem die Größte. War das deine
Idee mit der Ahnengalerie?«
    »Du meinst die Fotos, die ich im Eingangsbereich
aufgehängt habe? Wir sind nun mal ein Familienbetrieb, da fand ich das passend.
Die Bilder von dir hat mir deine Mutter gegeben. Ich fand sie ganz bezaubernd.
Passt dir irgendeines nicht?«
    Lisa ging zurück zu ihrem Stuhl und tippte ihrer
Mutter, die wieder Kartoffeln in Scheiben schnitt und fächerförmig auf Tellern
anrichtete, an die Schulter.
    »Letzte Woche hast du mir einen Vortrag gehalten wegen
Facebook. Wie hieß das noch mal, worüber du geredet hast?«
    Julia seufzte. »Informationelles
Selbstbestimmungsrecht.«
    »Genau, über dieses Recht hast du gepredigt. Dass man
das Recht an seinen Bildern und auf seine Privatsphäre nicht leichtfertig
preisgeben soll, weil man nie sicher sein kann, was andere mit diesem Wissen
machen und ob sie einem damit schaden können. Hab ich mir das richtig gemerkt?«
    Julia nickte.
    Jetzt konnte es eng werden für Julia, dachte Mayfeld
und überlegte, wie er seiner Frau argumentativ aus der Bredouille helfen
könnte.
    »Es war mein Fehler«, rief Hilde vom Herd aus. »Ich
wollte ein paar Bilder von euch. Julia hat mir eine ganze Mappe gegeben, und
ich habe mir welche ausgesucht. Und was soll man denn mit einem Bild aus der
Seepferdchengruppe des Schwimmvereins unternehmen, das dir schaden könnte?«
    Mayfeld fiel es schwer, ein Lachen zu unterdrücken.
Wenn Lisa derzeit etwas überhaupt nicht ertragen konnte, dann waren es Bilder,
die sie als kleines Kind zeigten. In ein paar Jahren, wenn sie sich sicher sein
würde, erwachsen zu sein, wäre das bestimmt wieder anders, aber im Moment war
Oma Hilde womöglich die Einzige, die ein solches Bild öffentlich ausstellen und
diese Aktion überleben konnte.
    »Du hättest mich fragen müssen«, giftete Lisa ihre
Mutter an, aber Oma Hilde hatte mit ihrem Schuldeingeständnis der Anklage jeden
Schwung genommen. Wahrscheinlich würde sich Lisa jetzt ein neues Opfer suchen,
vermutete Mayfeld und wusste auch schon, wen es als Nächsten treffen würde.
    »Bist du mal wieder im Polizistenstress?« Lisa wandte
sich an ihren Vater, blies eine weitere Kaugummiblase auf und ließ sie platzen.
Sie wusste, dass er das nicht leiden konnte, und zauberte ein besonders
unschuldiges Lächeln auf ihre Lippen. »Ich war heute Mittag bei Opa. Er meinte,
sein Sohn könnte sich ruhig mal um ihn kümmern, statt sich den Hintern für die
Bullerei aufzureißen. Finde ich übrigens auch.«
    Erst verschwieg ihm der Vater seine gesundheitlichen
Probleme, dann erfuhr Mayfeld zufällig, dass er im Krankenhaus lag, und nun
erwartete er, dass er sich umgehend bei ihm meldete, und beschwerte sich auch
noch bei seiner pubertierenden Enkeltochter über ihn. Wirklich allerliebst, was
sein Vater da veranstaltete. Ich wäre schon noch hingefahren, wollte er
antworten, aber das klang zu sehr nach einer der Ausreden, die seine Tochter in
letzter Zeit andauernd gebrauchte.
    »Danke, dass du nach Opa geschaut hast, Lisa. Wie geht
es ihm?«
    »Brauchst dich nicht bei mir zu bedanken. Das ersetzt
nicht den eigenen Besuch. Ich war nicht wegen deines schlechten Gewissens dort,
sondern wegen Opa.«
    Mayfeld wusste nicht, ob er sich über die Frechheit
seiner Tochter ärgern oder auf ihre Schlagfertigkeit stolz sein sollte. »Was
fehlt ihm denn nun?«
    »Frag ihn doch selbst! Ich kann mit dem
Ärztekauderwelsch nichts anfangen. Irgendetwas mit Herzrhythmusstörungen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher