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Frau Hoffmanns Erzählungen

Frau Hoffmanns Erzählungen

Titel: Frau Hoffmanns Erzählungen
Autoren: Schöffling & Co.
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»Günter Herburger wird wohl auch dabeisein.«
    Â»Wer ist denn das?«
    Â»Ein berühmter Läufer, der Erfinder der Urschlammsuppe und ein exzentrischer Briefschreiber.«
    Â»Wieso ist er exzentrisch?«
    Â»Er schreibt seine Briefe mit einer Reiseschreibmaschine auf Postkarten.«
    Frau Hoffmann überlegt oder fällt in einen Kurzschlaf. Das ist bei ihr so wenig zu unterscheiden wie bei Frau Merkel.
    Dann: »Schreibst du nicht mit einer Reiseschreibmaschine?«
    Â»Niemand schreibt mehr mit einer Reiseschreibmaschine, seit sie diese Dinger erfunden haben.« (Handbewegung zum Laptop)
    Â»Womit schreibst du denn auf deinen Postkarten?«
    Â»Ich schreibe keine Postkarten.«
    Â»Du willst wohl nicht exzentrisch sein?«
    Â»Nein, es ist nur so, daß niemand mehr weiß, was für eine Sorte Briefmarken man heute auf Postkarten kleben muß und wo noch ein offenes Postamt ist.«
    Â»Warum sind die Postämter denn geschlossen?«
    Â»Nicht geschlossen; die existieren nicht mehr!«
    Â»Dann sollten sie neue Postämter bauen. Das Schloß hat auch nicht mehr existiert und wird neu gebaut.«
    Frau Hoffmann ist wirklich gut informiert.
    Â»Warum joggst du eigentlich nie?« ruft sie mir nach, als ich den rutschenden Gürtel erneut straffe und zum Kleiderschrank gehe. Ich wähle das Batman-Kostüm, schwinge mich auf die Fensterbank und sage: »Weil fliegen schöner ist!«

    Dann stoße ich mich ab und nehme Kurs auf den Palast der Republik. Vielleicht beherbergt er ja ein letztes Postamt.

Katzenjammer
    Als ich die leeren Koffer ins Zimmer trage, unterbricht sie ihre Katzenwäsche und starrt mich entgeistert an. »Was soll das? Wollt ihr schon wieder verreisen?« Sie empfindet es als persönliche Beleidigung, wenn wir sie in der Obhut fremder Menschen zurücklassen. Nur einen Zustand gibt es, den sie mehr haßt, das ist, im Auto transportiert zu werden. Ich drehe ihr den Rücken zu und bringe es ihr zögernd bei:
    Â»Nicht wir allein. Du fährst auch mit. Wir fahren zurück in die Drôme.« Fällt sie vor Schreck in Ohnmacht? Hat sie der Schlag getroffen? Keineswegs; sie reagiert überraschend cool:
    Â»Also Schluß mit Berlin? Und warum? Gefällt es dir hier nicht mehr?«
    Â»Ganz im Gegenteil. Ich finde es hier wunderbar. Wie alle es wunderbar finden, die auf der Oranienburger Straße Eis essen, die Unter den Linden Eis essen und am Ku’damm Eis essen. Ich liebe das Kanzleramt und die Punks in Friedrichshain, den Blick über den Müggelsee und die Love Parade; ich kann mich nicht satt sehen am Potsdamer Platz, an den verkratzten S-Bahnscheiben und am Charme des Tacheles.«

    Â»Jetzt lügst du! Meinst du, mir wäre der Hohn entgangen, mit dem du über Prolo-Kult, die hirnlose Society und den Preußenfimmel geredet hast?«
    Hört zuviel, redet zuviel. Also unterbreche ich ihre Denunziation:
    Â»Im übrigen verlassen wir die glänzende Metropole nur deinetwegen. Du brauchst mal wieder saubere Luft, flinke Mäuse und deine Therapeutin.« Da sie unbeeindruckt bleibt, setze ich hinzu: »Und Bäume! Denk an die Bäume, an denen du die Krallen wetzen kannst, und denk an deine Freunde vom Katzenchor!«
    Â»Ja, und an die Flöhe, Jäger mit Hunden, streunende Hunde und hündische Veterinäre. Was soll daran schön sein? Hier in Berlin ist der Schnabel der Welt, hier muß man sein, wenn man mitmaunzen will!«
    Â»Nabel, nicht Schnabel. Wann hast du denn das letzte Mal einem Vogel aufgelauert?«
    Â»Andere Katzen, die in der Provinz versauern, würden eine Monatsration Brekkies geben, um an meiner Stelle in Berlin sein zu können.«

    Â»Nun, ja. Deine Situation ist auch sehr privilegiert«, beruhige ich sie und setze hinzu, »aber das wird sie auch zu Hause wieder sein.«
    Â»Wegen meiner Therapeutin, die mir dumme Ratschläge gibt? Und weil dort sogar die Brekkies nach Knoblauch schmecken?«
    Â»Aber du magst doch die französische Lebensart!«
    Â»Jetzt mag ich die Berliner Lebensart!« (Ich hätte ihr mal eine Currywurst mitbringen sollen.)
    Â»Und worin besteht die in deinen Augen?« Sie überlegt und kratzt sich am Hals, schweigt. »Es hilft nichts«, sage ich, »morgen fahren wir.«
    Â»Neiiin«, kreischt sie und klammert sich an ihre asiatische Strohscheibe. »Ich will nicht! Hier gehöre ich hin. Ick bin ein
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