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Frau Ella

Frau Ella

Titel: Frau Ella
Autoren: Florian Beckerhoff
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er Sie in Sicherheit gebracht habe. Ich sollte meine Sachen packen und mitkommen. Na ja, und da hab ich eben meine Sachen gepackt und bin zusammen mit ihm runter und zum Hinterausgang, wo Sie in einem Taxi saßen. Vollkommen neben sich übrigens. Und da hat er mir dann gesagt, dass wir Sie so auf keinen Fall alleine lassen könnten, dass ich Sie also mit zu mir nach Hause nehmen müsse. Na ja, und deswegen sind Sie hier. Der Pfleger kommt später und bringt Ihre Sachen vorbei. Hoffentlich. Offiziell habe ich Sie jetzt wahrscheinlich entführt.«
    Frau Ella sah ihn an und wusste, auch wenn sie sich nicht erinnern konnte, dass dieser junge Mann nicht log. Er tat ihr leid, so unbeholfen, wie er da vor ihr stand. Er wirkte noch hagerer als im Krankenhaus, trug jetzt unter seinen zotteligen blonden Haaren eine große Brille mit dickem schwarzem Rahmen, wie Stanislaw sie gehabt hatte.
    »Unsinn«, sagte sie und spürte, wie ihr Herz schlug und ihr das Blut in die Wangen schoss. »Wenn Sie mir nichts vorflunkern, haben Sie mir das Leben gerettet! Und wer käme schon auf die Idee, eine Alte wie mich zu entführen?«
    Er schaute überrascht, strich sich durchs Haar und wirkte noch immer unsicher.
    »Na dann«, sagte er, und plötzlich strahlte Erleichterung aus seinem Auge. »Dann duzen Sie mich bitte auch wieder. Dann mach ich uns jetzt einen Kaffee, einen richtigen.«
    »Danke, junger Mann«, sagte sie, die sich mit einem Mal überhaupt nicht mehr unwohl fühlte. »Danke, aber ich denke, es ist nur angemessen, wenn ich mich ein wenig im Haushalt nützlich mache. Auch wenn Sie bisher ohne mich zurechtgekommen sind.«
    »Was soll’s?«, lächelte er. »Kommen Sie, ich zeig Ihnen die Maschine.«
    Die verdorrten Kräuter auf der Fensterbank erinnerten sie an ihre eigenen Pflanzen, die schon seit Freitag ganz ohne sie auskommen mussten. Auf dem Boden stapelten sich in einem alten Karton die Zeitungen eines ganzen Jahres, umzingelt von leeren Bier- und Weinflaschen, die teils umgekippt in eingetrockneten Pfützen lagen. Am schlimmsten aber waren die Teller, die sich in der Spüle türmten, überwuchert von den schimmelnden Resten lange zurückliegender Mahlzeiten, und auf denen sich ganze Schwärme von Fruchtfliegen niedergelassen hatten. Sie durfte nicht vergessen, dass der junge Mann sie gerettet hatte, dass sie sich zurückhalten musste mit ihrer Kritik, dass nicht für jeden ein Haushalt so leicht erledigt war wie für sie mit ihrer ganzen Erfahrung. Sie ließ ihren Blick weiterschweifen auf der Suche nach der Kaffeemaschine. Erfolglos.
    »Hier, die Kaffeemaschine«, sagte er und reichte ihr eine kleine Aluminiumkanne mit schwarzem Plastikgriff, auf der ein kleiner Mann in schwarzem Anzug mit dem Finger nach oben zeigte.
    »Nehmen Sie, ich suche noch das Pulver.«
    Täuschte sie sich, oder versuchte er, sie auf den Arm zu nehmen?
    »Was ist denn das?«
    »Meine Kaffeemaschine«, sagte er grinsend.
    »Aha.«
    »Das ist eine italienische Kaffeemaschine, für Espresso. Kommen Sie, ich zeig Ihnen, wie die funktioniert.«
    »Haben Sie denn keine normale Kaffeemaschine? Oder einen Filteraufsatz?«
    »Ach, Filterkaffee, davon wird einem nur schlecht. Espresso ist viel gesünder. Und bitte, hören Sie auf, mich zu siezen.«
    Sie zögerte. Seit mehr als siebzig Jahren trank sie Filterkaffee und hatte nie etwas daran auszusetzen gehabt. Sicher, nach dem Krieg war das Pulver nicht immer das beste gewesen, aber sie hatte sich immer über jede Tasse frisch aufgebrühten Bohnenkaffee gefreut.
    »Das heißt, Sie trinken gar keinen Filterkaffee?«
    »Nur, wenn es nicht anders geht, wie im Krankenhaus«, sagte er, während er die kleine Kanne, die offenbar aus zwei Teilen bestand, aufdrehte, Wasser in den unteren Teil und Kaffeepulver in ein zwischen den beiden Teilen eingeschlossenes Mittelstück füllte. Er lächelte ihr wohlwollend zu, als zeigte er einem Kind, wie man sich die Schuhe zubindet.
    »Und Sie meinen, wir haben alle über Jahrzehnte hinweg den falschen Kaffee getrunken? Dann hätte uns ja ziemlich häufig schlecht werden müssen.«
    »Das ist wegen der Gerbstoffe. Wenn Sie Filterkaffee kochen, spült das heiße Wasser viel mehr Stoffe aus dem Pulver, als wenn Sie nur heißen Dampf durchjagen. Noch besser sind natürlich die großen Maschinen in den Cafés, die so richtig Druck aufbauen können. Außerdem ist das Problem beim Filterkaffee, dass das Wasser ja nicht mehr richtig kocht, wenn es auf den Kaffee trifft. Na ja, und
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