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Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)

Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)

Titel: Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)
Autoren: Andreas Englisch
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wollen. Bertone wird immer flauer im Magen.
    Jorge Mario Bergoglio hatte viel Ärger mit ihm, vor allem wegen seines Dauerstreits mit der argentinischen Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner. Im Staatssekretariat gibt es reihenweise Männer, die bei dem Gedanken an Bergoglio Schweißausbrüche bekommen. Der Argentinier machte keinen Hehl daraus, was er davon hielt, dass Benedikt XVI . mit dem Kriegsherrn George W. Bush im Weißen Haus ausgerechnet seinen Geburtstag gefeiert und diesen wenige Monate später noch einmal mit allem Pomp im Vatikan empfangen hatte. Denselben Bush, den Johannes Paul II . mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft hatte, um die Kriege im Irak und in Afghanistan zu verhindern. Wie konnte Benedikt XVI . das nur tun? Im Vatikan lässt sich nicht mehr geheim halten, was viele Kardinäle wissen, auch Jorge Bergoglio: dass mehrere Priester die Kirche verlassen haben wegen einer fröhlichen Geburtstagsfeier des Papstes im Weißen Haus mit George W. Bush, die Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone arrangiert hatte.
    Als die Stimmen des fünften Wahlgangs ausgezählt werden, sinkt die Hoffnung der Kurienkardinäle zusehends. »Bergoglio«, »Bergoglio«, »Bergoglio«, klingt es immer wieder durch die Sixtinische Kapelle. Jetzt können die Kurienkardinäle ihr Entsetzen kaum mehr verbergen. Tarcisio Bertone kann es einfach nicht fassen. Ausgerechnet Jorge Mario Bergoglio, der schon ein für alle Mal erledigt schien, in Lateinamerika, in seinem Jesuitenorden, im Kirchenapparat – dieser Mann sollte sich tatsächlich gegen den Willen des erfolgreichen Kardinalstaatssekretärs durchsetzen? Ein Mann, den der eigene Orden von seinem Leitungsposten als Provinzial und Chef der Jesuiten Argentiniens abgesetzt hatte, der vor seiner Ernennung zum Erzbischof nichts war als der Verwalter eines schäbigen kleinen Exerzitienhauses. Ausgerechnet dieser Mann sollte jemanden wie ihn, Tarcisio Bertone, hinwegfegen, der glaubte, zusammen mit der Kurie Weltgeschichte geschrieben zu haben? Er tat es.
    Das Ergebnis des fünften Wahlgangs ist eine einzige Katastrophe für die Kurie. Bergoglio bekommt sogar mehr Stimmen als Ratzinger 2005. Es werden letztendlich 88 sein, nur knapp 30 Kardinäle stimmen nicht für ihn. Den Kurienkardinälen hat niemand geholfen, keiner erbarmte sich ihrer.
    »Es war ein Bumerang für die Kurie«, sagte mir nach der Wahl einer der engsten Vertrauten Bergoglios in Rom. »Die Kurie hat alles getan, um ihn zu verhindern, sogar das Kardinalskollegium so umbesetzt, dass seine Wahl unmöglich werden sollte, aber dabei haben sie es so übertrieben, dass selbst die, die Bergoglios Wahl verhindern sollten, sich von der Kurie abgewendet haben und Bergoglio schließlich gewann. Nur die etwa 30 Kurienkardinäle haben ihn nicht gewählt.«
    Dann kommt es noch schlimmer für die Kurie an diesem Mittwoch. Das Oberhaupt der Kardinäle, Kardinal Giovanni Battista Re, fragt Bergolio, ob er die Wahl annehme. Das tut er und gibt dann eine überraschende Antwort auf die Frage, wie er sich nennen wolle: »Franziskus.« Noch nie hieß ein Papst Franziskus. Das ist ein Paukenschlag. Ausgerechnet ein Papst nennt sich nach dem Hungerleider aus Assisi. Was für eine kolossale Ohrfeige das für die Kurie bedeutet, versteht auf Anhieb jeder, der wenigstens zum Kreis der Gäste gehörte, die in der Vergangenheit an den Festivitäten der Kurie teilnehmen durften. Der langjährige Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano, der die Kurie maßgeblich prägte, ließ etwa zur Feier des Beginns seiner Amtszeit ein komplettes Orchester zu einem prächtigen Fest in die vatikanischen Gärten einfliegen. Den Kurienkardinälen, die ihre Mercedes-S-Klasse-Limousinen schätzen, schaudert bei der Vorstellung, was der neue Papst in wenigen Minuten vor den Gläubigen wohl sagen wird.
    Zunächst zieht sich Franziskus als erster Papst der Geschichte nach seiner Wahl in die Paulinische Kapelle zum Gebet zurück, erst dann geht es los. Mehr als 200000 Menschen haben sich auf dem Petersplatz versammelt, nachdem sich die Nachricht verbreitet hatte, dass weißer Rauch aufgestiegen war. Der Regen hatte die Menge immer wieder durchnässt. Dennoch waren die Menschen nicht müde geworden, auf den Platz zu strömen. Jetzt klatschen sie erst einmal, als die Musikkapelle des Vatikans und die Carabinieri aufmarschieren. Um 19.07 Uhr war der weiße Rauch aufgestiegen, jetzt ist es fast 20 Uhr. Wenige Minuten vor dem Auftritt des
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