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Fraeulein Jensen und die Liebe

Fraeulein Jensen und die Liebe

Titel: Fraeulein Jensen und die Liebe
Autoren: Anne Hansen
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würden.
    Zurück in Hamburg, fühlte ich mich wie Heini Sönnichsen, der Nachbar meiner Eltern. Er hatte nach der Pensionierung angekündigt, mit dem Fahrrad von Klixbüll nach Afrika und wieder zurück zu fahren. Das ganze Dorf hatte ihn mit einem großen Fest verabschiedet. Er bekam Geschenke, es wurden Erinnerungsfotos gemacht, Schlachter Knudsen spendierte sogar ein halbes Schwein. Eigentlich wollte Heini nach zwei Jahren zurückkehren. Nachbarn sollten staunend hinter dem Zaun stehen, sich die Augen reiben, als hätten sie eine Fata Morgana gesehen, und schon von Weitem dem Mann mit dem langen weißen Bart zurufen: »Heini, bist du das?«
    Doch es kam anders. Denn tatsächlich schob Heini schon nach zwei Tagen wieder sein Fahrrad heimlich an unserem Haus vorbei. Er hatte bereits 60 Kilometer hinter Klixbüll den ersten Platten gehabt, und nachdem er zweimal vergeblich versucht hatte, das Loch im Reifen zu flicken, war ihm die Lust auf Afrika vergangen.
    Mit genau diesem Gefühl kehrte ich also aus der Toskana nach Hamburg zurück. Ich wusste nur, dass das Loch in meinem Herzen nicht so schnell zu flicken war wie der Platte in Heinis Reifen.
    Nach der Toskana-Enttäuschung mit Stefan kam lange Zeit nichts mehr. Bis ich irgendwann im Supermarkt auf Michael traf. Am Kühlregal sagte er zu mir: »Können Sie mir mal bitte das Buttergemüse reichen?« Er hatte große, braune Augen und wunderschöne dunkle Locken. Ich reichte ihm zittrig das Buttergemüse und über dem Brokkoli kam es zu einer kurzen Berührung unserer kalten Hände. Es war, als hörte ich plötzlich eine Stimme aus dem Off: »Oma und Opa lernten sich damals im Supermarkt kennen.« Ich strahlte.
    Michael war Kameramann, wie ich bei einem Kaffee, zehn Minuten später, erfuhr. Er drehte vor allem in Afghanistan und dem Irak, Dokumentationen aus Krisenregionen waren sein Schwerpunkt. Er war stark (so eine Kamera wiegt mal locker 50 Kilo!), er war schön, er war witzig und er war der beste Küsser unter der Sonne (jaja, das stellte sich für meine Verhältnisse ungewöhnlich schnell raus).
    Michael und ich waren wie füreinander gemacht. Dachte ich zumindest in den ersten Wochen. Ich entwickelte plötzlich ein Interesse für die politischen Verhältnisse im Sudan, wusste, bei wie viel Grad man Jack-Wolfskin-Jacken mit herausnehmbarem Innenfutter waschen durfte, und wenn Michael mal wieder für einen Dreh in der Weltgeschichte unterwegs war, holte ich ihn, als treu liebende Freundin, brav vom Flughafen ab. Fast wöchentlich stand ich hinter der Schranke, wo die Reisenden begrüßt werden. Betont beiläufig (aber durchaus laut, die anderen sollten es ja auch mitbekommen) fragte ich dann immer einen Anwesenden, wann die Maschine aus Beirut ankommen würde. »Ach um eins erst?« (Gespieltes Erstaunen, natürlich hatte ich längst alle relevanten Flugverbindungen der großen Airlines im Kopf). »Wissen Sie«, erzählte ich dann ungefragt weiter, »mein Freund war nämlich gerade im Jemen, zum Drehen, er ist Kameramann.«
    Hinter dieser Schranke am Terminal eins gingen all meine Sehnsüchte in Erfüllung. Ich, Hannah Jensen aus Klixbüll, wartete auf einen Kameramann, der sich gerade zwei Wochen heldenhaft durch die Wüste gekämpft hatte und nun verschwitzt und männlich und mit reichlich Lebenserfahrung in die Arme seiner Freundin zurückkehrte.
    Kurz: Die Beziehung war ein Traum. Leider war dieser Traum nur selten da. Meistens packte er seine Koffer, wenn wir uns sahen. Und nach dem ersten Rausch der Leidenschaft wünschte ich mir irgendwann, mit ihm auf dem Sofa »Wetten dass« zu sehen, anstatt in einer SMS zu lesen, dass ein Nomadenvolk ihm zu Ehren gerade ein Kamel geschlachtet hatte.
    Die Lösung unserer Probleme (wir wollten tapfer für unsere Liebe kämpfen) sollte ein Hund sein. Michael meinte, dass uns solch ein »gemeinsames Baby« zusammenschweißen würde.
    Wenn ich ehrlich bin, war es mir damals schon nicht ganz klar, wie das funktionieren sollte. Der Hund würde natürlich bei mir wohnen (wo sonst?), und jedes Mal wenn ich seinen Scheißhaufen vom Gehweg entfernen würde, sollte ich also kurz innehalten und sehnsüchtig an Michael in der Ferne denken. Oder wie stellte der Gute sich das vor? Das ist natürlich meine heutige Sicht. Damals allerdings schwebten wir gemeinsam zum Tierheim, und ich seufzte willenlos »Den nehmen wir«, als uns ein strubbeliges Etwas entgegengehalten wurde. Das strubbelige Etwas war noch namenlos, weil es erst vor
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