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Fraeulein Jensen und die Liebe

Fraeulein Jensen und die Liebe

Titel: Fraeulein Jensen und die Liebe
Autoren: Anne Hansen
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schon mal im Urwald gewesen sei. »Um Himmels willen nein, Hannah«, sagte Jens, und während Thomas Gottschalk die Außenwette anmoderierte (irgendein Bagger sollte auf Eiern rückwärts eine Rampe hochfahren oder so ähnlich), hielt mir Jens einen Vortrag über die Gefahren, in den Tropen an Malaria zu erkranken. »Warum fragst du, Schatz? Du willst da doch nicht etwa hin?« Als Jens sich dann auch noch viel zu viele Chips gleichzeitig in den Mund stopfte und dabei aussah wie ein Karpfen, reifte der Gedanke in mir: Wir passen nicht zusammen.
    Doch leider war es mir mal wieder nicht vergönnt, Schluss zu machen. Denn Jens machte Schluss, schon zwei Wochen später. Nach geschlagenen neun Monaten Beziehung – mein Gott, in dieser Zeit hätte ich Mutter werden können – war ihm klar geworden, dass er doch noch an seiner Ex-Freundin hing. An Franziska, der dummen Nuss von der Provinzial-Versicherung. Ich war geschockt. Wie konnte Jens mich nur verlassen? Dabei war ich es doch, die ihm damals auf dem Sofa sagen wollte: »Jens, du musst jetzt ganz tapfer sein. Aber ich habe festgestellt, dass wir andere Lebensentwürfe haben. Ich will dich nicht verletzen: Aber du bist mir einfach zu langweilig.« Ich habe einmal versucht, mich selbst zu hypnotisieren, und glaube seitdem ganz fest daran, dass unsere Beziehung mit diesen Worten endete. Und nicht mit seinen: »Hannah, wir müssen reden.«
     
    Ein gemeinsamer Urlaub mit der Verwandtschaft, ein gemeinsamer Hund, eine gemeinsame Wohnung für neun Monate – das ist also die magere Bilanz meines bisherigen Beziehungsdaseins. Doch Stefan, Michael, Jens und alle anderen kleinen und großen Enttäuschungen zwischendurch haben mich nie an der Liebe zweifeln lassen. Eher im Gegenteil: Ich glaube, dass sie alle Vorboten für etwas Größeres waren. Denn: Ich bin in Sachen Liebe zu Höherem bestimmt. Jawohl. So überzeugt ich immer noch von der Homestory bin, die man bald von mir drehen wird, so überzeugt bin ich auch davon, dass ich bald bei der Oscar-Verleihung an der Seite eines unglaublich gut aussehenden Filmstars den roten Teppich entlangschweben werde. In diesem tiefen Glauben habe ich mich neulich in den finanziellen Ruin gestürzt und ein rotes Abendkleid von Versace gekauft. Die Summe, die eine Frau mit unechten Wimpern und langen Fingernägeln innerhalb von Sekunden gnadenlos von meinem Konto abgebucht hat, nenne ich besser nicht. Ich will ja nicht als unzurechnungsfähig gelten.
    Dieses Kleid, das seitdem in meinem Schrank hängt, schreit mir nun jeden Tag »Hannah, du bist bereit! Für den großen Auftritt!« entgegen (auch wenn ich nur einen unglamourösen rauen Rollkragenpullover herauskrame). Wenn ich nun also zu einem Event eingeladen werde (von mir aus kann es für den Anfang auch der Deutsche Fernsehpreis sein), werde ich betont gelangweilt meinen Schrank öffnen, »Immer diese Preisverleihungen, was nehme ich bloß?« sagen und mich dann schweren Herzens für das rote Versace-Kleid entscheiden.
    Neulich habe ich das Kleid, vielleicht sollte man besser »die Robe« sagen, doch tatsächlich in so einer Frauenzeitschrift entdeckt. An, und jetzt bitte festhalten: Beyoncé! Ich konnte mich gar nicht mehr beruhigen, lief aufgeregt zu meinem Kleiderschrank und stellte fest, nachdem ich jede Naht verglichen hatte: Beyoncé trug tatsächlich MEIN Kleid – diese Erkenntnis war der Grundstein für eine großangelegte Bastelaktion. Ich suchte ein schönes Foto von mir, schnitt kurzerhand Beyoncé aus und klebte mein Gesicht auf mein Kleid. Ich fügte das zusammen, was zusammengehört. Das war nur rechtens. Seitdem habe ich eine andere Hautfarbe und einen Atombusen.
    Pia sagt, ich bin verrückt. Darf ich vorstellen, ein Tusch: Pia, meine langjährige Gefährtin. In der Grundschule saß sie in der ersten Klasse neben mir, und seitdem unsere Lehrerin vor 23 Jahren »So, und jetzt sagt eurem Nachbarn mal, wie ihr heißt!« in die Klasse brüllte, sind wir beide unzertrennlich. Wir hielten uns an den Händen, als wir in Zweierreihen vom Klassenraum auf den Pausenhof gehen sollten. Wir legten uns nach der Schule wie unser großes Vorbild Kalle Blomquist auf die Lauer, um potenzielle Mörder in unserer Nachbarschaft zu überführen. Wir besuchten gemeinsam den Kirchenchor, machten zusammen Seepferdchen und waren beide beim Kinderturnen. Das gemeinsame Scheitern bei der Rückwärtsrolle verbindet fürs Leben. Pia ist meine bessere Hälfte. Mein Ein und Alles. Mein Elvis unter
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