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Forgotten

Forgotten

Titel: Forgotten
Autoren: Cat Patrick
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sag schon.«
    Ich hole tief Luft, und dann erzähle ich Luke von der Erinnerung, die mir laut Aufzeichnungen gestern zum ersten Mal gekommen ist. Ich erinnere mich heute auch noch daran, also muss ich zwischendurch nicht meine Notizen konsultieren. Ich lasse kein Detail aus, bemühe mich aber trotzdem, mich kurz zu fassen. Mein Tonfall ist die ganze Zeit über nüchtern und sachlich. Bis zum Ende.
    »Und dann … sterbe ich?«
    »Ja«, presse ich hervor, und meine Augen füllen sich mit Tränen. Luke und ich werden eine wundervolle Beziehung haben. Wir werden sogar übers Heiraten nachdenken, aber er wird nie die Gelegenheit bekommen, mir einen Antrag zu machen. Stattdessen wird er sterben.
    Luke ist blass, aber er weint nicht. Stattdessen ist er nachdenklich und still.
    »Geht es dir gut?«, frage ich, nachdem ich mir die Tränen weggewischt habe.
    »Ich weiß nicht.« Noch immer rührt er sich nicht. Er hält seinen Kaffeebecher etwas unbeholfen in der Hand. Ich nehme ihn und stelle ihn weg.
    »Ich hätte es dir nicht sagen sollen«, meine ich zerknirscht.
    »Doch, doch«, widerspricht er sofort. »Es ist mir lieber, wenn ich Bescheid weiß.«
    Ich weiß nicht, ob ich mich genauso fühlen würde, wenn es um meinen eigenen Tod ginge, aber das sage ich lieber nicht.
    »Ich glaube, es ist besser, Bescheid zu wissen. So kann man es vielleicht verhindern. Wir beide zusammen«, meint er. Er versucht, Stärke zu zeigen.
    »Vielleicht.« Ich sehe ihm in die Augen.
    »Nein, ehrlich. Ich meine – klar, das ist ziemlich heftig. Ich bin ein bisschen … keine Ahnung. Ich kann das im Moment alles gar nicht verarbeiten. Aber denkst du nicht auch, dass mir das Wissen einen kleinen Vorteil verschafft?«
    »Aber, Luke, ich –«
    »Nein, ich meine es ernst. Bei Page hast du doch auch die Zukunft verändert. Und es gibt noch andere Beispiele. Und das hier kannst du auch ändern. Es wird nicht passieren«, sagt er fest, als müsse er sich selbst davon überzeugen.
    Na ja, er macht das Beste aus der Information.
    »Vielleicht hast du recht.«
    »Ganz bestimmt sogar.« Seine Stimme wird immer eindringlicher. »Du wirst die Zukunft verändern. Du wirst mich retten.«
    »Und was, wenn ich das nicht kann?«
    »Dann gehen wir einfach nicht hin. Wir werden das Haus nicht beobachten. Wir werden dem Mann nicht folgen. Vertrau mir, es wird nicht so weit kommen.«
    Luke drückt mich fest und küsst mich mit solcher Heftigkeit, dass ich ihm die Sache fast abkaufe. Aber als er mich loslässt, sehe ich es in seinen Augen.
    Angst.
    In der Hoffnung, ihn ein bisschen abzulenken, gebe ich ihm meine Aufzeichnungen, damit er lesen kann, was gestern noch alles so passiert ist, während ich mich für die Schule fertigmache. Als ich unter der Dusche stehe, frage ich mich noch mal, ob es wirklich richtig war, ihm davon zu erzählen.
    Aber vielleicht hat er ja tatsächlich recht.
    Vielleicht ist es ja genug, wenn man weiß, dass man einer schlimmen Situation aus dem Weg gehen kann.
    Ich angle mir mein Handtuch vom Haken, und während ich mich abtrockne, denke ich immer wieder ein und denselben Gedanken: Bitte, mach, dass ich die Zukunft ändern kann.

44
    In Spanisch sieht Jamie mich an, ohne dabei angeekelt das Gesicht zu verziehen, aber ansonsten ist der Tag ziemlich mau. Wie ferngesteuert gehe ich durch die Schule und stelle mir immer wieder Fragen, die ich nicht beantworten kann: Lebt mein Bruder noch? Wird Luke sterben, so wie in meiner Erinnerung? Werde ich jemals meinen Dad kennenlernen?
    Erstaunlicherweise wiegt die letzte Frage heute am schwersten. Jetzt, wo ich mich an ein paar Kleinigkeiten erinnern kann, will ich mehr.
    Ich will einen Vater.
    Ich will meinen Vater.
    Kurz vor dem Schlafengehen setze ich mich noch mal an meinen Computer. Gerade als ich nach der Maus greifen will, erscheint eine Nachricht in meinem Chat-Fenster.
    LJH6678: Hi. Bist du noch wach?
    Lukes Screenname; er wird ihn nie ändern, solange ich ihn kenne.
    LondonLane: Hm, wollte grad ins Bett.
    LJH6678: Ich störe dich auch nicht lange. Wollte dir nur gute Nacht sagen.
    LondonLane: Du störst mich nicht!
    Ich stehe vor meinem Schreibtisch und schaue abwartend auf den Bildschirm. Nach einigen Sekunden kommt die Antwort.
    LJH6678: Ich bin froh, dass du es mir gesagt hast.
    LondonLane: Wirklich? Ich weiß nicht so recht.
    LJH6678: Es war richtig.
    LondonLane: Wenn du das sagst …
    Das Mitteilungsfenster bleibt eine Zeitlang leer. Ich werfe einen Blick auf die Uhr und trete
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