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Forbidden

Forbidden

Titel: Forbidden
Autoren: Tabitha Suzuma
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möglich. Es muss möglich sein.
    Als ich mich rund um die Matratze gearbeitet habe, ziehe ich an dem festen, abwaschbaren Laken. Es ist jetzt nicht länger an der Matratze befestigt. Ich lege es vor mir zurecht, helfe mit den Zähnen nach, um es einzureißen, und mache dann mühsam weiter, langsam und vorsichtig. Drei aneinandergeknotete Bahnen dürften reichen. Der Stoff ist fest, und meine Hände schmerzen, aber ich kann nicht mit einem Ruck daran zerren, das Risiko, dass das Geräusch zu hören wäre, ist viel zu groß. Meine Nägel sind eingerissen, und meine Finger bluten, als ich endlich fertig bin und drei lange Streifen vor mir liegen. Jetzt muss ich nur noch warten, bis der Wärter ein letztes Mal vorbeigekommen ist.
    Die Schritte nähern sich, und plötzlich fange ich an zu zittern.Ich zittere so stark, dass ich nicht mehr denken kann. Ich bringe das nicht fertig. Ich bin dafür viel zu feige, ich habe viel zu viel Angst davor. Mein Plan ist lächerlich. Sie werden mich erwischen. Ich werde scheitern. Ob die Stäbe auch wirklich halten? Was, wenn sie abbrechen, bevor ich das Fenster erreicht habe?
    Die Schritte entfernen sich, und ich fange an, die Streifen miteinander zu verknoten. Die Knoten müssen fest sein, sehr fest – fest genug, um mein ganzes Gewicht auszuhalten. Schweiß rinnt mir von der Stirn in die Augen, sodass ich nur noch unscharf sehe. Ich muss mich beeilen, beeilen, beeilen, aber meine Hände wollen nicht aufhören zu zittern. Mein Körper schreit, dass ich aufhören soll, dass ich aufgeben soll. Mein Kopf zwingt mich weiterzumachen. Noch nie habe ich solche Angst gehabt.
    Ich schaffe es nicht. Ich schaffe es immer noch nicht. Ich schaffe es nicht, die Schlinge um das Ende eines Stabs zu werfen, obwohl ich einen extrastarken Knoten hineingemacht habe, damit sich mein Lasso besser hochschleudern lässt. Ich habe die Schlinge zu klein geknüpft. Ich habe unterschätzt, wie schwierig es ist, ein Ziel zu treffen, wenn einem die Hände vor Panik zittern. Schließlich schleudere ich mein zusammengeknotetes Seil in wilder Verzweiflung einfach nur gegen die Decke – und zu meiner großen Verwunderung bleibt es plötzlich am äußersten Stab hängen. Da baumelt es nun vor mir an der Wand herunter und wartet, dass ich daran hinaufklettere, in die Freiheit. Ich starre es einen Moment schockiert und reglos an. Mein Herz pocht. Dann recke ich mich und umfasse den Stoffstreifen so weit oben wie möglich und fange an zu klettern.
    Ich brauche viel länger, als ich gedacht hatte. Meine Handflächen sind verschwitzt, in meinen Fingern habe ich nach demmühsamen Auftrennen der Nähte keine Kraft mehr, und die Streifen bieten keinen Halt. Als ich endlich oben angekommen bin, hake ich mich mit den Armen um die Stäbe und stemme meine Füße gegen die Wand. Der Augenblick ist gekommen. Haben die Stäbe sich gelockert? Werden sie vielleicht aus der Mauer brechen, wenn es plötzlich ruckartig an ihnen zieht?
    Ich habe keine Zeit, die rostigen Verankerungen genauer zu untersuchen. Jeder Muskel in meinem Körper schmerzt. Ich stemme mich gegen die Schwerkraft, die mich nach unten zieht. Wenn sie mich jetzt erwischen, ist es vorbei. Aber ich zögere immer noch. Werden die Stäbe es aushalten? Werden sie mich halten? Einen Moment lang spüre ich das goldene Licht der untergehenden Sonne auf meinem Gesicht. Nur die schmutzige Glasscheibe trennt mich davon. Dahinter liegt die Freiheit. Ich bin in einer luftleeren Zelle eingeschlossen. Aber ich erhasche einen Blick nach draußen. Ich kann sehen, wie der Wind durch die Bäume fährt, auf denen ein zartes Grün zu sehen ist. Das Glas ist wie eine unsichtbare Wand, die mich von allem absondert, was wirklich und lebendig und zum Überleben notwendig ist. An welchem Punkt gibt man auf – an welchem Punkt beschließt man, dass es genug ist? Darauf gibt es nur eine Antwort. Nie.
    Der Augenblick ist gekommen. Wenn ich es nicht schaffe, werden sie ein Poltern hören und sofort hereingestürmt kommen. Dann werde ich entweder unter dauernde Bewachung gestellt oder in eine andere Zelle verlegt, die noch sicherer ist. Das hier ist meine einzige Chance. Ein entsetzliches, fürchterliches Schluchzen droht mich zu überwältigen. Aber ich darf keinen Laut von mir geben – man könnte mich hören. Ich will das nicht tun. Ich habe solche Angst davor. Ich habe solche Angst.
    Mein linker Arm ist immer noch durch die Stäbe geschoben, das ganze Gewicht meines Körpers hängt an
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